Kritik zu Mission: Impossible 7 – Dead Reakoning, Teil 1

2022 rettete Hollywood-Star, -Produzent, zurecht umstrittene und kritisierte Scientology-Persönlichkeit und Extremsport-Enthusiast Tom Cruise nach der Corona-Krise mit dem Blockbuster Top Gun: Maverick angeblich das Kino. Nur ein Jahr später möchte er den Hollywood-Film und die große Leinwand-Erfahrung vor den Folgen der Streaming-Disruption bewahren. Aus diesem Grund beantwortet er jede Interview-Frage zum Thema Streaming bei jedem Event zu einem neuen Film mit dem etwas ungelenken Titel Mission: Impossible 7 – Dead Reakoning, Teil 1 mit einem fast schon schmerzverzerrtem Gesicht damit, dass seine Filme für die große Leinwand gemacht werden. Darüber hinaus zeigen er und sein langjähriger Kollaborationspartner Christopher McQuarrie sich stets bemüht, sich von der im Bockbuster-Kino zunehmenden CGI-Suppe abzuheben und möglichst auf praktische Effekte sowie waghalsige Stunts des Hauptdarstellers zu setzen. Ob sich diese Strategie in einem Jahr auszahlen wird, in dem fast jeder andere Franchise-Vertreter hinter den Erwartungen zurückblieb, muss sich noch herausstellen. Unterhaltsame Actionsequenzen mit so wenig Computer-Effekten wie möglich und so vielen wie nötig finden die Zuschauer in dieser Größenordnung momentan allerdings nur hier.

Jagd auf die Künstliche Intelligenz

Während Cruise in der Realität (wenn man die Hollywood-Realität als solche bezeichnen kann) gegen den Streaming-Algorithmus kämpft, muss sich Ethan Hunt gegen einen ähnlichen Feind aus dem modernen Computerzeitalter wehren. Zunächst erhält er jedoch von seinem Vorgesetzten und alten Bekannten Eugene Kittridge (Henry Czerny) den Auftrag, einen mysteriösen zweiteiligen Schlüssel zu besorgen, den seine Freundin Ilsa Faust (Rebecca Ferguson) gestohlen haben soll. Erst später findet Ethan heraus, dass der vollständige Schlüssel dem Besitzer Zugang zu einer mächtigen Künstlichen Intelligenz verschafft.

Selbstverständlich möchten sämtliche Regierungen, Geheimdienste und Schattenorganisationen den Schlüssel für sich beanspruchen. Lediglich Ethan und sein Team erkennen das Risiko, das diese Macht in sich birgt und die kein einzelner Mensch und keine Nation beherrschen sollte. Folglich möchten sie die KI gänzlich stilllegen. Diese hat mittlerweile jedoch ein Eigenleben entwickelt und ist eine Art Allianz mit einem alten Feind aus Ethans Vergangenheit namens Gabriel (Esai Morales) eingegangen.

Mittendrin: Die talentierte Diebin Grace (Hayley Atwell), die von der aus dem letzten Film bekannten White Widow (Vanessa Kriby) beauftragt worden ist, den Schlüssel zu stehlen. Letztere möchte diesen nämlich an die meistbietende Partei verkaufen. Ethan und sein Team bestehend aus Ilsa Faust (Rebecca Ferguson), Luther Stickell (Ving Rhames) und Benji Dunn (Simon Pegg) müssen fortan also an mehreren Fronten sowohl gegen Gabriel und dessen Killerin Paris (Pom Klementieff) sowie vermeintlich freundlich gesinnte Geheimdienste und nicht zuletzt gegen eine allwissende KI kämpfen. Gleichzeitig möchten sie Grace beschützen, die ihnen aber immer wieder durch die Finger schlüpft.

Altbekanntes neu und unterhaltsam verpackt

Ursprünglich sollte der Zweiteiler Mission: Impossible – Dead Reakoning, Teil 1 & 2 die Reihe abschließen. In Interviews fabulierte Hauptdarsteller Cruise jedoch bereits, dass er seine Rolle gerne weiterspielen möchte, bis er 80 Jahre alt ist. Autor und Regisseur Christopher McQuarrie deutete ebenfalls bereits an, dass er Ideen für einen 9. Film im Köcher hätte. Was die beiden davon in die Realität umsetzen können, steht auf einem anderen Blatt. Ob weitere Fortsetzungen dem Franchise unbedingt gut tun, lässt sich aktuell auch schwer sagen.

Zwar merkt man weder dem immerhin zum Zeitpunkt der Dreharbeiten fast 60jährigen Tom Cruise noch dem Film selbst irgendwelche Ermüdungserscheinungen an, dennoch haben diverse Actionsequenzen mittlerweile einen gewissen Wiederholungscharakter. Dabei ist es nicht unbedingt hilfreich, dass zentrale Stunts im Zuge der Marketingkampagne schon im Vorhinein in diversen Internet-Videos aus jedem erdenklichen Blickwinkel seziert werden.

Eine Verfolgungsjagd durch Rom in einem klitzekleinen FIAT 500 ist mit viel Spaß und Humor unterfüttert. Ein Showdown im und auf dem Orientexpress, der extra für den Film gebaut werden musste, ist spektakulär atemberaubend. Regisseur McQuarrie baut zwar genügend Variationen ein und inszeniert jede Szene auf höchstem technischem Niveau, sodass alles frisch und abwechslungsreich wirkt. Das Deja-Vu-Gefühl bleibt dennoch bestehen. Einige Sequenzen haben aufmerksame Zuschauer so ähnlich schon einmal in vorangegangenen Mission-Impossible-Filmen oder aus anderen Agenten-Action-Franchises erlebt. Eine Szenenabfolge erinnert sogar an den 2. Teil der Uncharted-Videospielreihe. Der Regisseur baut aber auch einige nette Reminiszenzen an die Anfänge des Franchises ein – Henry Czernys Rückkehr als Ethan Hunts zwielichtiger Vorgesetzter Eugene Kittridge aus dem ersten Film bereitet beispielsweise besonders viel Fan-Freude.

Ein weiterer Wermutstropfen besteht darin, dass der Film weitestgehend auf kleinere und ruhigere Spannungssequenzen verzichtet. Zwar erinnert ein Handlungsabschnitt am Flughafen mit vielen Taschenspielertricks zumindest schwach an frühere Inkarnationen der Reihe, nichts reicht aber an die nervenzerrende Stille des CIA-Einbruchs im 1. oder an die ästhetische Eleganz der Opernszene im 5. Film heran. Ein weiteres Manko ist, dass die Rolle der Ilsa Faust immer weiter in den Hintergrund gedrängt wird und weniger zu tun bekommt, zumal es sich um die einzige Figur in den letzten Filmen handelt, die Ethan Hunt das Wasser reichen konnte.

Hierbei handelt es sich aber lediglich um kleine Stolpersteine im Gesamtbild. Zwar wirkt Mission: Impossible 7 – Dead Reakoning, Teil 1 nur wie ein halber Film, das fällt wegen der Fülle der Handlungsabschnitte und Actionsequenzen kaum ins Gewicht. Der Plot wirkt etwas drängender als die Story in Mission: Impossible – Fallout, die oftmals zu gewollt um die spektakulären Stunts herum konstruiert anmutete. Eine Künstliche Intelligenz als möglicherweise ultimativer Gegner des Superspions Ethan Hunt ergibt insofern Sinn, weil ihm bisher kein menschlicher Gegenspieler Einhalt gebieten konnte – auch wenn das Drehbuch die Motivation und die Natur des zugrundeliegenden Algorithmus vielleicht ein- bis zweimal zu oft erklärt. Esai Morales kann als KI-Handlanger Gabriel mit einem kühlen Blick und einer gnadenlosen Attitüde überzeugen. Pom Klementieff darf sich als schweigsame und dennoch ausdrucksstarke psychopathische Killerin auf Agentenjagd begeben und sich ausreichend furchteinflößend von ihrer naiv-charmanten Mantis-Rolle in den Guardians-of-the-Galaxy-Filmen entfernen. Hayley Atwell, die als Agent Carter im Marvel Cinematic Universe bereits viel schlagkräftige Erfahrung gesammelt hat, reiht sich mühelos in das IMF-Team ein und bringt eine zusätzliche Portion Charme und Frische mit sich.

Fazit:

Trotz kleiner, sich langsam auftuender Risse im Franchise-Panzer verstehen es die Mission-Impossible-Filme weiterhin, auf beste erdenkliche Weise zu unterhalten. Das Drehbuch führt trotz der einen oder anderen Expositionslänge effizient von einer Actionsequenz in die nächste, die sich von Mal zu Mal ein wenig steigern können. Die Figurenzeichnung eines Ethan Hunt reicht weiterhin nicht über ein eindimensionales Instrument für das Gute hinaus, mehr würde dem größeren Unterfangen und der unmöglichen Mission vermutlich auch im Wege stehen. Wie kaum ein Zweiter versteht es McQuarrie jedoch seit mehreren Filmen, den Wahnsinn hinter den Augen des Hauptdarstellers zu kanalisieren und in die Figur mit einfließen zu lassen.

Cruise und seine Mitstreiter sind inzwischen so gut eingespielt, dass es weiterhin Spaß macht, ihnen bei der Arbeit zuzusehen. Fans dürfen froh sein, dass der Teamaspekt, mit dem sich die Filme ebenfalls von der Agentenkonkurrenz absetzt, weiterhin bestehen bleibt. Mission: Impossible ist immer noch ein Franchise, bei dem Freunde von großer ausladender Leinwand-Action sich weiterhin in sicheren Händen befinden. Das sollte auch in der nächsten Fortsetzung der Fall sein. Anschließend braucht die Agentenreihe möglicherweise aber dringend eine Frischzellenkur, sollte es tatsächlich zu weiteren Sequels kommen.

MISSION: IMPOSSIBLE – DEAD RECKONING TEIL EINS | Offizieller Trailer | Paramount Pictures Germany

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