Perry Rhodan Extended Sternensaga

Kurt Brand

Das Recyclen von Ideen ist keine neue Erfindung. Paul Alfred Müller hat viele Ansätze seiner „Sun Koh“ Romane sowohl in der „Rah Norton“ Serie wie auch den späteren als Leihbücher veröffentlichten Büchern nicht selten kaum aufgefrischt wieder verwendet. Alfred Elton van Vogt baute fast sein ganzes Romanwerk auf den eigenen Kurzgeschichten und Novellen auf.

 Die Geschichte des vorliegenden in sein Ursprungsuniversum zurück gekehrten Taschenbuches Kurt Brand ist länger. Der erste Stein des Anstoßes erfolgte durch Kurt Brand selbst, der in einem Interview 1977 für die SF- Baustelle gegenüber Heinz Mohlberg davon sprach, dass das Ren Dhark Taschenbuch „Sternen- Saga“ ursprünglich sein zweiter Perry Rhodan Planetenroman nach „Die Schatzkammer der Sterne“ werden sollte. Zu diesem Zeitpunkt – 1964 oder 1965 – hatte sich Kurt Brand je nach Version mit K.H. Scheer und dem mächtigen Lektor Günther M. Schelwokat zerstritten. Kurt Brand galt als hitzköpfig, so dass er fortan nicht mehr für Perry Rhodan schrieb, sondern mit Ren Dhark eine Konkurrenzserie im Kelter Verlag etablieren sollte. Nach der Einstellung der Ren Dhark Serie versuchte es der Kelter Verlag mit entsprechenden Taschenbücher. Der erste Roman sollte Kurt Brand „Sternen- Saga“ sein.

 Basierend auf der Bemerkung Kurt Brand in dem besagten Interview reifte in dem Perry Rhodan und Ren Dhark Leser Klaus- Dieter Geißler die Idee, den Roman wieder zu einem ursprünglich geplanten Perry Rhodan Taschenbuch zurück zu schreiben. Ob es bei der Lektüre von „Sternen- Saga“ wirklich so eindeutig gewesen ist, dass es sich um einen Planetenroman gehandelt hat, ist schwer zu beantworten. Der Roman in der vorliegenden Form ist unabhängig von seiner unbestrittenen Qualität in beiden Serien eine Art Phänomen. Die Ren Dhark Taschenbücher begannen erst richtig mit der zweiten von nur sechs Veröffentlichungen. Die „Sternen- Saga“ ist ein ausgesprochen ambitionierter Roman, der unabhängig vom Handlungsverlauf allerdings zu viel erläutert. Selbst in der Perry Rhodan Fassung hat der Leser das Gefühl, als habe Kurt Brand versucht, ein eigenes Universum zu erschaffen. Nicht selten folgen vor allem Personen bezogene Exkurse, werden die Fähigkeiten der den Perry Rhodan Lesern überdurchschnittlich vertrauten Mutanten erläutert. Auch in den „Sternen- Saga“ Version finden sich diese ungewöhnlichen Exkurse.

 Es stellt sich unwillkürlich die Frage, ob die ursprüngliche Idee nicht sogar weder ein Perry Rhodan noch später ein Ren Dhark Roman gewesen ist, sondern ein gänzlich Serienunabhängiges Manuskript gewesen ist. Wie bei einigen anderen seiner Heftromane greift Kurt Brand ausgesprochen weit in die Vergangenheit seiner Universum und zeigt Auswirkungen auf die Gegenwart. Auch wenn kein Reporter im Mittelpunkt der Handlung steht, sind es vor allem die Recherchen der Wissenschaftler und Forscher, welche die einzelnen Versatzstücke zusammenfügen und zeigen, dass ein wichtiger Teil der Legende in der vorliegenden Form nicht mehr haltbar ist.

 Die Erklärungen hinsichtlich der Hintergründe und Fähigkeiten der Figuren könnten als Sprungbrett für eine Miniserie dienen, denn der Pyrrhussieg am Ende beantwortet weder alle Fragen noch wird ein faszinierender Teil der ganzen Geschichte ausgefüllt. Die „Sternen- Saga“ der Vergangenheit ist teilweise interessanter als die vor allem zu Beginn sehr lang gestreckten Aktionen und Reaktionen der Gegenwart.

 Unabhängig von der Tatsache, wo die „Sternensaga“ – mit Bindestrich bezieht sich auf die Ren Dhark Version, ohne auf die neue Perry Rhodan Fassung – ihren Ursprung genommen hat, herausgekommen ist eine von Kurt Brands besten Arbeiten. Für einen nicht selten auch ein wenig improvisierenden Schnellschreiber wie Brand ist der Plot minutiös geplant. Die einzelnen Elemente fallen am Ende der Geschichte überzeugend zusammen und auch die weitreichenden Erklärungen kann der Leser jederzeit nachvollziehen.

 Im Anhang wird die Rückdeutung der Geschichte genauso erzählt wie ein Vergleich zwischen den jeweiligen Namensgruppen und kulturellen Hintergründen gezogen wird. Am wichtigsten ist der dritte Artikel im Anhang. Es geht um die Datierung der Geschichte im Perry Rhodan Universum, die durch Kurt Brand laxen Umgang mit bekannten Fakten in seinem ersten Perry Rhodan Planetenroman nur konsequent relativiert und entsprechend angepasst werden musste. Es empfiehlt sich, die Anhänge erst detailliert nach der Lektüre der Geschichte zu lesen. Nur Kurt Koblers Einleitung kann und sollte im Vorwege gelesen werden, da hier ohne den Plot zu verletzen die wichtigen Querverbindungen gezogen werden.

 Wie eingangs erwähnt ist die Geschichte komplex und Kurt Brand hat eine fast schelmische Freude, irdische Sagen wie die Medusa Legende auch in den Spannungsbogen einzubauen. Die Herausgeber haben sich mit Michael Thießen drauf geeinigt, die Geschichte im Jahre 2115 spielen zu lassen. Auf dem Planeten SASS DE DAMA werden nicht nur riesige Quarzmonumente entdeckt, die Besatzung einer abgestürzten und von einem Springerraumschiff aufgenommenen Space Jet erleidet Zeitgleich einen Gedächtnisverlust. Ihre Beobachtungen auf dem Planeten können nicht verifiziert werden. Auf dem im Kugelsternhaufen M13 gelegenen Planeten Widor erscheint einer terranischen Forschungsexpedition auf einer gigantischen Steinwand das Gesicht einer bildhübschen Arkoniden.

 Auch wenn der Leser evtl. die Zusammenhänge zwischen den beiden Phänomenen im Groben erahnen kann, trennt Kurt Brand sie sklavisch bis in die Mitte des Romans auf. Auf der einen Seite versuchen unter der Leitung des ein wenig arrogant und dummdreist charakterisierten Reginald Bulls die terranischen Forscher die Position des Planeten mit den Quarzmonumenten zu rekonstruieren, während auf Widor die Forscher von den seltsamen Bildphänomenen mehr und mehr eingeschüchtert werden.

 Der Anfang ist ein klassischer Kurt Brand mit dem eigenwillig und dickköpfig forschenden Wissenschaftler, der schließlich von der Galaktischen Abwehr quasi eingefangen und zwangsverpflichtet wird. Aber die Mächtigen haben im Gegensatz zu vielen anderen Paranoiathrillern der Gegenwart nichts zu verbergen, sie haben selbst keine Ahnung und sind für jede auch zwangsverpflichtete Hilfe dankbar.

 Jede Informationen, die neben dem wechselnden Bild und den seltsamen Schriftzeichen gefunden wird, widerspricht der Geschichte. Kurt Brand macht sich einen Spaß daraus, die einzelnen Ermittler genau wie die Leser in die Irre zu führen. Es ist aus heutiger Sicht erstaunlich und überzeugend zu gleich, wie lange Kurt Brand ohne Actionszenen auskommt. Nur Clark Darlton hat in dieser Phase der Serie vor allem in den Planetenromanen immer wieder mit pazifistischen Strukturen experimentiert, in denen es nicht selten auch um Missverständnisse ging, die schließlich in Tragödien endeten. Bis zum anscheinend herbeigeführten Absturz des ersten von mehreren Akonenraumschiffes erleiden die Forscher durch das an eine Medusa erinnernde Abbild auf einem der beiden Planeten entweder einen Gedächtnisverlust oder sind des Wahnsinns verfallen.

 Am Ende teilt sich der Handlungsbogen. Kurt Brand legt die Geheimnisse einer nicht nur längst vergessenen Vergangenheit offen, sondern greift in der bearbeiten Form auf Ereignisse zurück, die erst im „MDI“ Zyklus bekannt geworden sind, während die Handlung von „Sternensaga“ eher in die historische Lücke zwischen Heftroman 149 und 150 platziert worden ist. Ob eine so weitreichende Manipulation der Geschichte tatsächlich über Jahrtausende möglich ist, ist eine der Angriffsflächen des Romans. Hinzu kommt, dass Kurt Brand die Idee des Verräters etwas zu existentiell aufhängt, immerhin hat es diese Art von bezahltem Frontwechsel vor allem auch in der menschlichen Geschichte immer wieder gegeben. Warum sollten also die Urarkoniden davon verschont geblieben sein, zumal nicht gänzlich klar ist, ob diese kleine Kolonie tatsächlich einen längeren über Partisanenangriffe hinausgehenden Krieg durchgehalten hätte. Aber diese Kleinigkeiten sollten unter dem Mantel der faszinierenden Historie verschwinden, die Kurt Brand extra für diesen Roman verfasst hat und deren Wurzeln vielleicht bei einer Veröffentlichung im Rahmen der Planetenromane tatsächlich in den „MDI“ Zyklus eingeflossen wären.

 So muss sich der eigenwillige Autor dem Gesetz der „Planetenroman“ unterwerfen. Viele gute Ideen mussten am Ende der Taschenbücher auf unterschiedliche Art und Weise verschwinden, damit das Gesamtkonstrukt der dominierenden Heftromanserie nicht unterminiert wird. Zumindest hat Kurt Band augenzwinkernd in der vorliegenden Taschenbuchfassung eine Variation in der Hinterhand.

 Zu den starken Szenen gehört die direkte Auseinandersetzung zwischen dem Softumschalter und latenten Telepathen Perry Rhodan und einem Kommandanten eines akonischen Raumschiffs. Kurt Brand setzt das Mutantencorps ausgesprochen effektiv ein und zeigt, wie deren einzelne Fähigkeiten zusammenfließen und Perry Rhodan einen sich stetig verändernden momentanen Vorteil bringen.

 Ebenfalls eindrucksvoll sind die Beschreibungen auf den beiden Planeten. Die drei Unsterblichen – Perry Rhodan, Bully und Atlan – stehen in dem engen Tal vor der gigantischen Wand. Vergangenheit und Gegenwart fließen ineinander.

 Immer wieder öffnet Kurt Brand durch neue Erkenntnisse, aber auch unheimliche Phänomene mehr und mehr, aber in sehr konzentrierter Form den Vorhang der Vergangenheit. „Sternensaga“ ist in mehrfacher Hinsicht ein komprimierter Blick in das Perry Rhodan Universum, das beginnend mit der ersten Begegnung auf dem Mond zwischen Perry Rhodan und den Arkoniden nicht nur Jahrhunderte in die Zukunft, vor allem aber Jahrtausende in der Vergangenheit reicht.

 Am Ende ist es vielleicht Perry Rhodan, welcher den Akonen die Augen öffnet und sie aus ihrer Arroganz zu wecken sucht. Aber wie bei vielen von Kurt Brands Geschichten ist Perry Rhodan nur eine Art Mittler. Die Ereignisse aus der Vergangenheit haben nicht selten bei Kurt Brand weiterhin direkte Auswirkungen auf die Gegenwart, auch wenn Kurt Brand wie angesprochen diese nutzen muss, um einen Widerspruch zur Heftromanserie zu verhindern und um einen Teil seiner phantasiereichen Erfindungen für die Terraner wieder unerreichbar zu machen. Vielleicht wirkt vieles in dieser Phase des Plots ein wenig zu abrupt, zu passend konstruiert, aber zumindest ist Kurt Brand konsequent bis zum nicht unbedingt bitteren, aber für die Akonen schmerzhaften Ende.

 Im Gegensatz zu vielen anderen Autoren ist sich Kurt Brand auch nicht zu schade, Antworten zu liefern, nachdem ausführlich spekuliert worden ist. Das macht den Reiz des vorliegenden Epos aus. Egal, ob es zuerst als Ren Dhark Abenteuer oder jetzt wieder als Perry Rhodan Classic Extended publiziert worden ist. Es ist eine gewaltige, aber für Kurt Brand auch wieder zutiefst menschliche Tragödie, die von den Wissenschaftlern nach und nach der Vergangenheit durch die geduldige Untersuchung der beiden Fundstätten, aber auch das aus einem ungewöhnlichen Blickwinkel erfolgende Sichten ans Tageslicht gebracht wird.

 Das macht den Reiz der Geschichte aus. Das Team um Klaus- Dieter Geißler hat sich unheimlich viel Mühe gegeben, die Story wieder zurück in das Perry Rhodan Universum zu bringen. Diese Liebe zum Detail, vielleicht auch die ehrfürchtige Würdigung der eigenen im Grunde glorreichen Vergangenheit alleine reicht als Empfehlung aus. Das die „Sternensaga“ dann auch noch ein derartig lesenswerter Kurt Brand Roman geworden ist, der ebenbürtig, wenn nicht sogar ein wenig inhaltlich besser komponiert neben „Die Schatzkammer der Sterne“ stehen kann, rundet diese sorgfältig zusammengestellte im Grunde professionelle Veröffentlichung des „Terranischen Clubs Eden“ sehr zufrieden stellend ab.

Cover Kurt Brand: STERNENSAGA - (c) Raimund Peter

www.terranischer-club-eden.com

170 Seiten, Paperback Din A 5

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