Aufbruch zu den Sternen

Arthur C. Clarke

„Aufbruch zu den Sternen“ ist Arthur C. Clarkes erster veröffentlichter Roman gewesen. Vorher hatte der Brite schon Kurzgeschichten und vor allem sekundärliterarische Artikel geschrieben.  1947 geschrieben erschien das Buch als drittes Manuskript in der Galaxy Romanserie 1951 in den USA. Erst zwei Jahre später fand sich ein britischer Verlag, der den Band veröffentlichte. Das ist in so weit süffisant, als dass Arthur C. Clarke einen seiner britischen Charaktere im Buch die Amerikaner als phlegmatisch allem Neuen gegenüber bezeichnet und deswegen der erste Flug ins Alls von australischen Boden unter Federführung der Briten als international Kooperation stattfinden wird.

Ende der sechziger Jahre im Schatten der bevorstehenden Mondlandung ist der Roman ein weiteres Mal erschienen. Arthur C. Clarke hat dafür ein neues Vorwort geschrieben, in dem er auf den Zeitgeist der vierziger Jahre genauso eingeht wie die technischen Unterschiede, aber auch Ähnlichkeiten zwischen seiner Vision und der Realität. Diese Neuausgabe bildete auch die Grundlage der Bastei Taschenbuchausgabe, die aber wegen der ein wenig holprigen Übersetzung Clarkes technischen und gleichzeitig doch leicht zu lesenden Erzählstil als zukünftiges Markenzeichen seiner Werke nicht richtig wiedergibt.

Interessant ist, dass Arthur C. Clarke sowohl im vorliegenden Band wie auch „Projekt Morgenröte“ auf Laien als Vermittler zum Leser setzt. In „Aufbruch zu den Sternen“ wird der Historiker Dr. Dirk Alexson angestellt, von dem kommenden Flug zum Mond zu  berichten. Man möchte die Chance nutzen, dieses geplante fundamentale Ereignis der Nachwelt entsprechend zu übermitteln. Er soll der Chronist dieses ersten Schritts im All werden. Dadurch lernt der Leser in verschiedenen Abschnitten die Vorbereitung und schließlich auch Durchführung des Fluges kennen.  Arthur C. Clarke hat die Geschichte absichtlich ca. 25 Jahre in  die Zukunft verlegt, Anfang der siebziger Jahre.

Dabei teilt sich der Roman in zwei grundsätzlich verschiedene Bereich. So wird die Öffentlichkeit mittels eines aufwendig produzierten Werbefilms über das Vorhaben informiert. Die möglichen Astronauten werden fast schon zu Berühmtheiten,  bevor überhaupt entschieden worden ist, wer zu den Sternen bzw. dem Mond fliegen wird.

Neben diesen populistischen Maßnahmen, um die hohen Ausgaben zu rechtfertigen, die nur teilweise durch die Vermarktung der Film und Werberechte wieder eingespielt werden, lässt Arthur C. Clarke ausführlich den Flug erläutern. Auch wenn Atomenergie eine Rolle spielt, setzt der Brite auf eine Variation des Shuttlekonzeptes mit vorher durch die Nutzlastfahrzeuge ins All transportiertem Treibstoff, einer „Auffangstation“ im Erdorbit und daraus resultierend einem aus dem Orbit startenden Raumschiff, dessen Besatzung sich zehn Tage auf dem Mond aufhalten soll.

  Wie bei Heinlein vertraut Clarke wenig den stattlichen Organen. Eine internationale Kooperation bestehend vor allem aus Unternehmen soll die Mission finanzieren.  Clarke sah das wirtschaftliche Interesse der Staaten als begrenzt an. Erst die perfide Idee, vom Mond aus Raketen abzuschießen und dadurch einen Vorteil zu erringen, könnte die Politiker motivieren. In Clarkes Roman ist es zu spät, denn der Leiter der ganzen Expedition – eines der besten Atomwissenschaftler Professor Maxton – stellt zusammen mit dem technischen Leiter Sir Robert Derwent klar, die Astronauten nehmen keine Grenzen mit ins All.

Diese Aussage trägt Arthur C. Clarke auch in seinem Roman Rechnung. Alexson hat an der Universität von Chicago studiert. Die Wissenschaftler kommen aus verschiedenen Nationen. Gleich zu Beginn wird sowohl Hermann Oberths erste Studie zum Raketenflug ins All zitiert und als Grundlage genommen wie auch auf die Angriffe der Nazis mit ihren V2 Waffen eingegangen.  Knapp zwei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs entstanden dürfen auch deutsche Wissenschaftler an dem Projekt mitarbeiten. Es gibt weder politische Intrigen noch die klassische Spionageklischees in diesem Roman.

Dem Autoren geht es um die Erreichung eines gemeinsamen Zieles als ersten Schritt, eine kosmopolitische Nation zu werden, die ihre Kriege und Streitereien angesichts der unendlichen Herausforderungen dort draußen am besten vergessen sollte. Natürlich ist der Gedanke schon in den sechziger und siebziger Jahren naiv gewesen, in denen das Wettrennen um den Mond auch den technischen Fortschritt beflügelte.  Clarke gibt es in seinem lesenswerten Vorwort auch zu.

Natürlich handelt es sich um eine teilweise unabhängig von der technischen Entwicklung eines raumfähigen Fahrzeuges naive bis maßlos optimistische Geschichte. Herausforderungen werden fast wie Gentlemen gelöst und beiseite geschoben. Während Tom Wolfe in seinem Buch „The right Stuff“ auf die zahllosen zu lösenden Probleme intensiv eingeht, bleibt Arthur C. Clarke in vielen Punkten oberflächlich. Vielleicht lässt es sich mit der Tatsache begründen, dass „Aufbruch zu den Sternen“ ja nicht das ganze Projekt umschreibt, sondern der Berichterstatter erst wenige Monate vor dem Startdatum rekrutiert wird. So konfrontiert ihn das Team mit den fertigen Erfindungen und der Handvoll von freiwilligen Astronauten, bei denen einer zwischen der Geburt seines ersten Sohns und dem Flug zum Mond sogar entscheiden muss.

Die Idee von Dreierteams, einem Mann als Backup im Orbit und die lange Vorbereitung durch das Entsenden von Sonden und geostationären Satelliten zur Datenübermittlung hat Clarke dagegen gut und richtig vorher gesehen.

Clarkes Technik  eines atomaren Antriebs zumindest für das Erreichen des Orbits hat Stephen Baxter wahrscheinlich als Hommage in seinem Buch „Voyager!“ übernommen, ansonsten ist diese Technik auch aufgrund der Gefährlichkeit niemals realistisch diskutiert worden. Clarke hat zwei Jahre vor der Veröffentlichung dieses Buches, aber auch zwei Jahre nach Entstehen des ersten Manuskripts ein Sachbuch geschrieben, in dem er über den Stand der Raumfahrt  und die zukünftige Entwicklung geschrieben hat. „Interplanetary Flight“ , auf dem er später eine Reihe von bebilderten Bänden aufgebaut hat. Diese Erkenntnisse hat der Brite in einen ernstzunehmenden Roman für ein erwachsenes Publikum übernommen. Damit unterscheidet er sich deutlich von Robert a. Heinlein, der zur gleichen Zeit mit „Rocketship Galileo“ einen Jugendroman um den Flug ins All veröffentlichte.

Der Flug ist im Grunde nicht wichtig. Viel mehr konzentriert sich Clarke mit dem religiösen  Attentäter und der Verhinderung des Fluges auf ein damals originelles, heute fast klischeehaftes Thema, das man in Carl Sagans Roman „Contact“ übrigens auch wiederfindet. Nicht nur bei diesem Band, sondern einigen folgenden Romanen spottet ein wenig arroganter Clarke über die Science Fiction im Allgemeinen und einige Autoren im Besonderen, die ihre phantastischen Geschichten von realistischer Technik abkoppeln. In seinem zweiten Roman „Projekt Morgenröte“ wird er einen Science Fiction Autoren zum Mars schicken, während der Chronist am Ende im überraschenden Epilog sein Lebenswerk vollenden und über die vergangene Zeit nachdenken kann.  

Natürlich ist der Roman immer noch dem Zeitgeist geschuldet. Heute sollte man es als Quelle von Clarkes späteren kosmopolitischen Romanen ansehen. Solide recherchierte Technik immer in Kombination mit einem fast hoffnungslosen Optimismus dem menschlichen Geist und seiner Neugierde gegenüber ist das Buch fundiert geschrieben, stringent aufgebaut und wirkt eher wie ein „bebildertes“ Sachbuch als ein klassischer Roman. In Ehren ergraut ist es trotzdem eine erneute Lektüre Wert, wenn man sich ernsthaft mit dem Werk des Briten auseinandersetzen möchte.     

Aufbruch zu den Sternen

Aus dem Englischen von Herbert Roch
Originaltitel: Prelude to Space
eBook epub (epub)
ISBN: 978-3-641-12668-1
200 Seiten