Alien 3

Pat Cadigan

Die Vorgeschichte von Pat Cadigans Romanadaption des nicht verwandten „Alien 3“ Drehbuchs aus der Feder William Gibsons ist vielleicht interessanter als der zugrundeliegende Roman.  Es ist allerdings nicht die erste Adaption, im Rahmen ihrer erfolgreichen „Alien“ Comic Reihe hat der amerikanische Verlag Dark Horse eine Art Short Version publiziert. William Gibson war einer der Autoren, der sich an der Fortsetzung des erfolgreichen Blockbuster „Aliens“ versuchte. Vincent Ward schrieb für seine eigene Regiearbeit eine exzentrische Fassung, bevor schließlich David Fincher einen kontroversen, aber auch interessanten Film lieferte, der in Ehren gealtert ist.

William Gibsons „Alien 3“ ist keine Cyberpunk Geschichte und Pat Cadigan als erfahrene Autorin kann aus dem Plot auch nur das adaptieren, was vorhanden ist. Der Leser muss sich gedanklich als erstes in die Zeit von „Aliens“ zurückversetzen, der James Cameron Fortsetzung, welche dem Ridley Scott Klassiker eine Actionkrone aufsetzte. Auch wenn James Cameron einige Informationen zum Lebenszyklus der fremden Kreaturen hinzugefügt hat, konzentrierte sich der Plot vor allem auf Action. Das ist erstaunlicherweise auch bei William Gibsons und Pat Cadigans Fortsetzung der Fall. Das Raumschiff mit Newt, Hicks, Ripley und einem halben Bishop wird im All gefunden. Es ist über die imaginäre Grenze zwischen den kapitalistischen Teilen des Alls und einer Art Kommune getrieben. Zwischen diesen beiden Parteien herrscht ein brüchiger Friede, der intensiver verhandelt werden soll. Diese Informationen finden sich in der Einleitung der Geschichte, werden aber bis auf einige wenige Seitenhiebe und einen Angriff eines Raumschiffs auf die Station nicht wieder aufgegriffen.

Auch wenn das All - wie im Prolog erklärt wird - zu groß und zu weit ist, um sinnvoll Krieg zu führen, impliziert Pat Cardigan, dass es zwischen dem kapitalistischen und damit aus Konglomeraten bestehenden Teil der Menschheit und ihrer Sphäre sowie den impliziert kommunistischen Freidenkern Spannungen gibt. Hicks vertritt als Marine und Söldner das Kapital, während die Kolonie eher in den kommunistischen Sphären mit 5 Jahresverträgen und weniger 5 Jahres Plänen einzuordnen ist. Dazwischen als anarchistisches Element der große Gleichmacher- eine Alienmutter auf der Suche nach neuen Opfern. 

An Bord einer neuen, größeren Kolonie im All geht anschließend alles nach Plan oder aus Sicht des aktiven Hicks natürlich alles schief. Newt wird relativ früh in der Handlung mit einem Frachter zur Erde geschickt, wo sie bei ihren Großeltern leben soll. Ripley hält fast den ganzen Film in ihrer Schlafkammer auf, was ohne Frage mit den zu dieser Zeit noch ungeklärten vertraglichen Bedingungen zwischen der Ripley Schauspielerin Weaver und den Produzenten bestanden hat. Sigourney Weaver hatte ja lange Zeit geweigert, noch einmal in die Rolle von Ripley zu schlüpfen, bis die Bezahlung und der Status bei den Filmcredits ein entsprechendes Standing erreicht hatte. Unter dieser Unsicherheit leidet auch William Gibsons Drehbuch. Aktiv sind Hicks, der eine Art Deja Vu erlebt und Bishop, der notdürftig repariert, schnell erkennt, dass die Konzerne weiterhin in den Aliens eine neue Art der Waffe unter dem Mantel der Krebsforschung sehen.

Ohne Ripley und die Konfrontation zwischen zwei Frauen und Müttern fehlt der Geschichte ein wichtiger Impuls. Hicks in Begleitung von Ripley ist eine interessante, vielschichtige Figur. Der klassische Soldat mit einem goldenen Herzen, der aus der Masse der ausgebildeten Marines durch die Fähigkeit hervorsticht, ein herausragender Kämpfer und gleichzeitig ein noch instinktiv handelnder und denkender Mann zu sein. Das rettet Hicks und einigen der Menschen, die ihm vertrauten, mehrmals in „Alien 3“ das Leben. Vorgesetzte und Scheuklappen Denker bleiben natürlich auf der Strecke. 

Bishop versucht in seinen Einzelgängen den fehlenden Hicks Humor zu ersetzen. Das wirkt schon berührend menschlich. Hinzu kommt, dass Bishop mit seinem billig ersetzen Knie körperliche Probleme hat, was ihn noch zugänglicher macht. Im direkten Vergleich zu Hicks hat Bishop zu wenige, dann aber entscheidende Szenen. Der Kampf gegen die Königin im engen Fahrstuhl sei hier stellvertretend für einige interessante, aber zu weit über den ganzen Roman verstreute Sequenzen erwähnt. 

Hicks und Bishop agieren kaum zusammen. Ein weiteres Manko, denn den Zuschauer bzw. in diesem Fall Lesern fehlen in einem leider sehr vertrauten Szenario die persönlichen Bezugspunkte. „Alien“ war abschließend der Kampf Frau gegen Frau. „Aliens“ beschrieb den Überlebenskampf einer immer kleiner werdenden Gruppe von Marines, angereicht um Ripley als Stiefmutter von Newt, deren Überlebensinstinkte natürlich und gleichzeitig verblüffend gewesen sind. Auch in „Alien 3“ hat Newt ein oder zwei Szenen, in denen sie kindlich, aber auch intelligent agieren kann. Nur schreibt William Gibson bzw. darauf aufbauend Pat Cadigan diese Figur schnell aus der Handlung und vergisst sie, durch einen adäquaten neuen Charakter zu ersetzen. Das macht vor allem das Finale von „Alien 3“ zu einer distanzierten, inhaltlich lange Zeit viel zu wenig überraschenden und vor allem dem etablierten Handlungsmuster folgenden Angelegenheit.

Erschwerend kommt hinzu, dass sich wahrscheinlich eher Pat Cadigan und weniger William Gibson von den ersten beiden Filmen lösen können. Es ist ein schmaler Grat, eine entsprechende Fortsetzung zu schreiben und gleichzeitig originell zu sein. Die Originalität  liegt vor allem in William Gibsons Händen, der als provozierender Cyberpunk ein im Kern enttäuschend  wenig originelles Garn abliefert.  Pat Cadigans Aufgabe ist es, den Plot spannend zu adaptieren und aus dem  nicht produzierten Drehbuch einen heute noch lesbaren Roman zu erschaffen. Dazu greift sie aber zu sehr auf Zitate aus den ersten beiden Filmen zurück und versucht auf diese Weise, eine Kontinuität zu schaffen, die es in der Praxis gar nicht gibt. Weder William Gibson inhaltlich noch Pat Cadigan erzähltechnisch versuchen sich von den Vorlagen wirklich zu lösen und im Rahmen der Parameter etwas Neues zu erschaffen. Es ist daher verständlich, dass die Produzenten nicht auf William Gibsons zu glattes, zu mechanisches Drehbuch zurückgegriffen haben.

Von den serienspezifischen Handlungsmustern abgesehen präsentieren William Gibson und Pat Cardigan einen kurzweiligen Roman und vor allem ein Kind seiner Zeit. Bis auf die genetischen Experimente zur Schaffung einer neuen biologischen Waffe werden der Serie im vorliegenden dritten Drehbuch keine neuen Ideen hinzugefügt. 

Mit der größeren Kolonie präsentieren die Autoren den nächsten Schritt der Besiedelung des Alls. In “Aliens” handelt es sich um eine klassische, vielleicht auch klischeehaft erste Stufe des Terraformingprozess mit einer reinen Arbeitersiedlung. Hier findet sich eine exzellente Bar, in welcher immer wieder das Fussballspiel Haiti gegen Brasilien - Halbzeitstand 4:1, kein Schreibfehler - auf Großbildschirmen läuft;   ein botanischer Garten; der abschließend neue Alien Mutationen hervorbringt sowie eine Shopping Mall mit Luxusgütern, welche der kommunistischen Ausrichtung der Kolonie eigentlich widersprechen. Dazu Militär. Aber natürlich gibt es auch den Totmannschalter mit der Möglichkeit, den Atomreaktor zu überladen und in der Theorie den Aliens ein Ende zu setzen. 

Die Actionszenen sind gut geschrieben und hätten als Film ohne Frage eine perfekte Mischung zwischen der erdrückenden Atmosphäre des Ridley Scott Streifens und den  Actionszenen aus James Camerons “Aliens” ergeben. Einige Sequenzen wirken wie eine Hommage an entweder den einen oder anderen Film oder selten an beide Streifen. Visuell sind die Kampfsequenzen, die stetigen Angriffe und aus der Dunkelheit und die finale Konfrontation besser darzustellen, aber Pat Cardigan überrascht mit einem dynamischen Stil, pointierten Dialogen und einigen auch literarisch sehr zufriedenstellend umgesetzten Schocksequenzen. 

“Alien 3” ist eine nostalgische Reise in die achtziger Jahre. Aber “Alien 3” macht auch deutlich, dass der legendäre Ruf des William Gibsons Drehbuchs der Realität nicht standgehalten hat. Es ist eine stringente, teilweise interessante, aber weder für die Serie noch William Gibsons Arbeiten selbst bahnbrechende oder gar provozierende Geschichte. Vincent Ward mit seinen hölzernen Raumschiffen und religiösen Motiven ragt in dieser Hinsicht ohne Frage exzentrisch deutlich über William Gibsons solide und sehr eng definierte “Alien” /”Aliens” Fortsetzung hinaus. 

Alien 3: Der Roman nach dem Drehbuch von William Gibson

  • Herausgeber ‏ : ‎ Heyne Verlag; Deutsche Erstausgabe Edition (15. Februar 2023)
  • Sprache ‏ : ‎ Deutsch
  • Broschiert ‏ : ‎ 448 Seiten
  • ISBN-10 ‏ : ‎ 3453322568
  • ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3453322561
  • Originaltitel ‏ : ‎ Alien 3: The Unproduced Screenplay by William Gibson