Kritik zu Hellblade: Senua's Sacrifice - Horror in Helheim

Hellblade Tree

Hellblade Tree

Medienproduktionen mit einem großen Budget und vielen Investoren bedeuten fast immer auch eine gewisse Einschränkung der kreativen Handlungsfreiheit. In der Gamingszene haben sich dadurch mittlerweile zwei Fronten gebildet. Große Publisher bieten AAA-Titel (Videospiel-Blockbuster mit hohem Budget) mit toller Grafik, die aber immer weniger revolutionär werden und Indie-Entwickler liefern andere Ideen, machen dafür aber Einschränkungen im Umfang des Inhalts.

Der Entwickler Ninja Theory möchte jetzt mit dem selbst entwickelten Hellblade eine ganz neue Kategorie einführen. Das sogenannte Independent-AAA-Spiel soll aussehen wie ein Vollpreistitel, aber Neues wagen und nur die Hälfte kosten.

Klingt toll und auch die Prämisse ist interessant. Protagonistin Senua betritt die Hölle der nordischen Mythologie, um mit Göttin Hela über den Tod ihres Geliebten zu verhandeln. Die größten Gefahren lauern dabei aber in ihrem Verstand: Senua hat schwere Psychosen und Schwierigkeiten zu erkennen, was real ist und was nicht.

Ein Publisher hätte den Fokus auf die Psychosen vielleicht nicht so freigegeben, denn Kämpfe und Rätsel bieten keine epischen Erfahrungen. In Hellblade soll jedes einzelne Element verstören und den Spieler genau über die aktuelle Situation nachdenken lassen.

Hellblade Senua

Tote Wikinger und die Stimmen im Kopf

Die Handlung von Hellblade ist kein großes Kino. Hela wird nicht von Cate Blanchett gespielt, große Momente werden von keinem Orchester untermalt und niemand ist ein glorreicher Held. Das Spiel erzählt dem Medium angemessen eine Geschichte, die so nicht auf einer Leinwand laufen könnte.

Als Erzähler fungieren dutzende Stimmen, die Protagonistin Senua von Anfang an hört. Dank binauralem Ton, aufgenommen mit zwei Mikrofonen gleichzeitig, flüstern die Stimmen direkt ins Ohr. Viele von ihnen machen sich über die selbstmörderische Mission lustig, lachen Senua sogar aus, andere geben Ratschläge oder teilen Erinnerungen.

In Zwischensequenzen fokussiert sich die Kamera meistens auf die Protagonistin. Sehr gutes Motion-Capturing und Nahaufnahmen erzeugen eine intime Atmosphäre - auch der Spieler muss sich Senuas Ängsten direkt stellen. Die Kriegerin redet, brüllt und starrt häufig direkt in die Kamera, eine starke Charakterisierung ihrer Krankheit und ihres Wesens.

Bei jedem Start des Spiels erscheint ein Warnhinweis auf dem Bildschirm. Man habe Ärzte und Patienten konsultiert, um Psychosen möglichst realistisch darzustellen. Das ist kein leeres Protzen des Entwicklers, Leuten mit schwachen Nerven sei dringlichst davon abgeraten Hellblade zu spielen. Oft wechselt das Genre durch eine eindringliche Atmosphäre zu Horror, ganz ohne konventionelle Jumpscares und ekelhafte Monster.

Die Figuren im Spiel sind dem Setting getreu tote Nordmänner, Fabelwesen und Götter. Bunte Rüstungen tragen diese nicht, Fans von nordischer Mythologie werden mit dem Einsatz von Knochen, Holz, Fellen und Leder zufrieden sein. Auch die Umgebungen bleiben mit Bergen, Wäldern und Konstruktionen aus zerstörten Drachenbooten natürlicher als das futuristische Asgard aus den Thor-Filmen.

Hellblade Battle

Der Kampf gegen Äxte und Ängste

Kommen wir nun zur Diskussion, die im Raum steht, oder viel mehr in Foren zu lesen ist. Hellblade soll ein Permadeath-System haben, was bei zu vielen Spieltoden, den Speicherstand löscht. So sagt es jedenfalls eine Einblendung in der ersten Stunde. Auch nach ausführlicher Suche lässt sich jedoch keine bestätigte Löschung im Netz finden. Es ist also viel Lärm um nichts und mehr eine Mechanik um den Spieler etwas anzuspannen und Kämpfe in die Geschichte zu integrieren.

Doch auch, wenn die Mechanik echt wäre: Dank tolerantem Schwierigkeitsgraden sind die Kämpfe für jeden machbar. Im Vergleich mit anderen Hack & Slays sind wenige Angriffe integriert, jedes Aufeinandertreffen ist dafür sehr atmosphärisch. Gegnertypen variieren wenig, das macht aber nichts aus, weil in den etwa acht Stunden Spielzeit mehr Rätsel gelöst werden müssen.

Doch für die Integrierung der Knobelpassagen muss das Spiel Kritik ernten. Zu oft muss wenig Hirnschmalz verwendet werden, um Türen zu öffnen und die Handlung weiterzubringen. Meistens wird Senua angehalten und muss Runen finden, die in der Umgebung versteckt sind.

Das nimmt oft einfach nur das Tempo aus der Erzählung und wird zu plumpen Herumgelaufe. Auch ist die Ballung an den Rätseln oft fragwürdig, so sind viele in zwei bis drei zusammenhängenden Spielstunden zu finden. Schnell sehnt sich der Spieler also nach Abwechslung.

Fazit

Hellblade ist gewöhnungsbedürftig und nicht für Jeden, weil es einfach eine sehr ungewöhnliche Herangehensweise an seine Themen bietet. Wer aber etwas Neues erleben möchte sollte zugreifen, psychische Krankheiten wurden im Medium selten so gut behandelt. Das Experiment Indie-AAA ist gelungen.

Hellblade ist für Playstation 4 und den PC erhältlich. Kopfhörer sind zu empfehlen.

zusätzlicher Bildnachweis: 
© Ninja Theory

Hellblade: Senua's Sacrifice | Official Trailer | PS4 & PC

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