1917 - Kritik zum Epos über den Ersten Weltkrieg

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1917

Oftmals ist nicht nur das ”Was“, sondern auch das ”Wie“ entscheidend, wenn es darum geht, den Schrecken und noch viele andere Aspekte des Krieges auf die Leinwand zu bannen und für das Publikum erfahrbar zu machen. Apocalypse Now zeigte den Vietnamkrieg als wahnhaften Fiebertraum; Der Soldat James Ryan schickte seine Zuschauer am D-Day zusammen mit den Alliierten an den Strand der Normandie; Mel Gibson richtete in Hacksaw Ridge ein übertrieben-schonungsloses Gemetzel an; Christopher Nolan spielte 2017 mit Zeit und Raum, um den Rückzug britischer Soldaten aus Dunkirk darzustellen; und Sam Mendes – Regisseur des aktuellen Kriegsepos 1917 – beschrieb in seiner Chronik der ersten Irak-Invasion der USA namens Jarhead die zermürbenden Wartezeiten in einem modernen Krieg, der dem normalen Soldaten schon längst überholt hat. Auch 1917 wartet mit einer besonderen Inszenierungsweise auf, die den Zuschauer das Geschehen hautnah erleben lassen sollen.

Eine lange Reise durch den Alptraum des Krieges

Die beiden jungen britischen Soldaten Corporal Blake (Dean-Charles Chapman) und Corporal Schofield (George McKay) erhalten den Auftrag, sich durch das ländliche und kriegserschütterte Frankreich zu kämpfen, um einen bevorstehenden Angriff britischer Truppen auf deutsche Soldaten zu verhindern, die sich nur dem Anschein nach auf dem Rückzug befinden. In Wirklichkeit möchte die deutsche Streitmacht die kurz vor dem Angriff stehenden Briten in eine Falle locken, wie Luftaufnahmen dieser Gegend gezeigt haben. Die Mission führt Blake und Schofield durch Schützengräben und zerstörte Städte. Sie treffen auf Feinde, Verbündete und verängstigte Zivilisten, müssen über menschliche Leichen und Pferdekadaver klettern und sich an Tod und Zerstörung vorbeischmuggeln.

Technische Leistung entfalte emotionale Wirkung

Auf ihrem Weg begegnen ihnen vor allem auch viele Cameos in der Gestalt von zum Beispiel Colin Firth, Andrew Scott (unter anderem bekannt als Jim Moriarty aus Sherlock), Mark Strong oder Benedict Cumberbatch. Gelegentlich kann die Tatsache, dass sich ein Großteil aller britischen Darsteller versammelt, etwas ablenkend sein. Ansonsten handelt es sich bei 1917 vor allem um eine konzeptionell und technisch hochwertige Leistung von Regisseur Sam Menden, aber vielleicht noch mehr von Roger Deakins. Auch wenn man den Namen des Kameramanns nicht kennt, dürften dem einen oder anderen dessen Bilder aus Filmen wie James Bond – Skyfall (ebenfalls von Sam Mendes inszeniert), Blade Runner 2049, No Country for Old Men und Fargo bekannt sein.

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1917 haben die beiden in langen Einstellungen gedreht, die sie nahtlos aneinander fügen, ohne dass der Schnitt erkennbar ist – um Missverständnisse vorzubeugen, klärte Mendes schon längst auf, dass es sich nicht um eine einzige Einstellung ohne jeglichen Schnitt handelt. Die Logistik, die ein solches Unterfangen erfordert, erscheint trotzdem sehr beeindruckend, auch wenn das Konzept nicht unbedingt neu und vielleicht sogar mittlerweile etwas abgegriffen daherkommt.

Die technische Kinoleistung entfaltet in 1917 eine immer wieder beeindruckende emotionale und mitreißende Wirkung, wofür auch der großartige musikalische Score von Mendes' Stammkomponisten Thomas Newman sorgt. Zusammen produzieren diese Talente eine Erfahrung, die insbesondere im Kino seine Zuschauer einschließt und bis zum Ende nicht mehr loslässt – eine der spektakulärsten Sequenzen führt durch die nächtlichen, beinah apokalyptisch anmutenden Ruinen einer fast zerstörten französischen Stadt.

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Gelegentlich fällt es jedoch schwer zu sagen, ob der Kriegsfilm über das Spektakel und über seine Form hinausreicht, auch wenn das Kampfgeschehen nicht unbedingt im Mittelpunkt steht, sondern vielmehr dessen Konsequenzen gezeigt werden. 1917 zwängt sich durch die Erzählweise, so beeindruckend sie oftmals erscheinen mag, in eine sehr eingeschränkte Perspektive, die nicht unbedingt viel über dieses spezifische tragische Kapitel der Menschheitsgeschichte zu sagen weiß. Auch die Protagonisten und Nebenfiguren bleiben weitestgehend zweidimensional. Das meiste emotionale Gewicht lastet auf Hauptdarsteller George McKay, der jedoch in jeder Minute die physischen Entbehrungen und Anstrengungen seiner Mission überzeugend darstellt.

Fazit:

Es ist sicherlich nicht leicht, den Schrecken und die vielen anderen Facetten des verheerenden Ersten Weltkrieges in einem einzigen Film einzufangen. Leider schränkt sich Regisseur Sam Mendes durch eine restriktive Perspektive etwas selbst ein. Gleichzeitig stellt 1917 eine technisch beeindruckende Leistung von Kamera bis zum musikalischen Score dar, die es besonders als Kinoerfahrung versteht, zu ergreifen.

zusätzlicher Bildnachweis: 
© Universal Pictures

1917 - Trailer 2 deutsch/german HD

1917 - Official Trailer [HD]

1917
Originaltitel:
1917
Kinostart:
16.01.20
Regie:
Sam Mendes
Drehbuch:
Sam Mendes, Krysty Wilson-Cairns
Darsteller:
George MacKay, Dean-Charles Chapman, Benedict Cumberbatch, Colin Firth, Richard Madden, Mark Strong, Andrew Scott, Daniel Mays, Adrian Scarborough, Jamie Parker
Im Chaos des 1. Weltkrieges begeben sich zwei Soldaten auf eine verzweifelte Mission.

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