Sherlock Staffel 4: Kritik zu "Die sechs Thatchers"

SPOILER

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Sherlock mit Bluthund im ersten Bild zur vierten Staffel

Sherlock Holmes und Doctor Watson sind zurück. Nachdem die vierte Staffel von BBCs Erfolgsserie Sherlock Anfang des Jahres in Großbritannien Premiere feierte, zeigt die ARD an Pfingsten auch in Deutschland die neuen Folgen. Grund genug für uns, die jeweilige Episode gleich mit einer dreifachen Kurz-Kritik zu begleiten.

Den Auftakt macht "Die sechs Thatchers", in der Holmes und Watson einem mysteriösen Einbrecher auf der Spur sind, der es anscheinend auf Büsten der verstorbenen Premierministerin Margaret Thatcher abgesehen hat. Sherlock vermutet schnell eine Verbindung zu Moriarty, muss am Ende aber feststellen, dass jemand ganz anderes im Mittelpunkt des Falls steht.

Ein kleiner Hinweis vorab: Abweichend vom ursprünglich geplanten Sendetermin startet "Die sechs Thatchers" zehn Minuten später und beginnt erst um 21.55 Uhr. Grund hierzu ist vorab eine Sondersendung zu den Ereignissen in London.

Nele Bübl

Nach der langen Wartezeit und dem vielversprechenden Finale der dritten Staffel (Schrödingers Moriarty) ein leider ziemlich schwacher Auftakt. Zwar macht es enormen Spaß, endlich zurück in der Baker Street zu sein, doch die sehr zusammengewürfelt wirkende Folge mit abstruser Handlung lässt keine wirkliche Sherlock-Stimmung aufkommen.

Sherlock hüpft durch diverse Fälle, die viel zu schnell gelöst werden, um spannend zu sein. Das titelgebende Rätsel um die sechs Thatchers diente lediglich als Aufhänger, um Marys Vergangenheit neu aufzurollen. Das hätte man eleganter und spannender lösen können. Zumal man schon alle Augen zudrücken und nicht zu viele Hirnzellen bemühen sollte, um Marys Versteckspiel und Sherlocks Jagd nach ihr auch nur irgendwie abzunehmen. Wobei diese zugegeben schön in Szene gesetzt wurde.  

Die finale Auflösung, wer denn nun hinter dem Coup und AGRA steckt, ist selbst für Sherlock-Verhältnisse zu plump, dafür dass sie so arg um mehrere Ecken konstruiert präsentiert wird. Da hätte etwas weniger Abstruses, dafür sauberer Gestricktes deutlich größere Wirkung haben können.

Insbesondere wenn man sich dafür mehr darauf konzentriert hätte, einem die Charaktere näher zu bringen. Selbst beim bekannten Trio im Mittelpunkt hakt dies gewaltig und ist eher ein Rückschritt im Vergleich zur letzten Staffel. Weder Sherlock noch John oder Mary scheinen ernsthaftes, liebevolles Interesse aneinander zu haben.

Johns angedeutete Affäre ist vermutlich für spätere Handlung noch relevant, wirkt aber nicht stimmig zum bisher gezeichneten Charakter. Auch seine Reaktion auf den Tod seiner Frau wirft Fragen auf: Er gibt Sherlock die Schuld hierfür und schließt ihn aus seinem Leben aus. Dabei dürfte sämtlichen Beteiligten ja nun eigentlich bewusst gewesen sein, welche Risiken ihre Freizeitaktivitäten so mit sich bringen.

Die Folge überzeugte mich leider so gar nicht, die Vorschau auf die nächste Episode und Mycrofts mysteriöse Verbindung zu „Sherrinford“ lassen allerdings auf Steigerung hoffen.

Hannes Könitzer

Die vierte Staffel von Sherlock beginnt leider mit einer der schwächsten Folgen der ganzen Serie. Interessanterweise finden sich in "Die sechs Thatchers" fast alle Probleme wieder, welche die gesamte Staffel plagen, nur in konzentrierter Form.

Dies beginnt bereits schon beim Cliffhanger. Die Macher von Sherlock rund um Steven Moffat und Mark Gatiss waren schon immer besser im Schreiben von Cliffhangern als im Auflösen. Die Geschichte um Moriarty wird schnell ins Regal gestellt und auch der Mord, den Sherlock am Ende von Staffel 3 begangen hat, spielt keine Rolle mehr. Stattdessen bekommen die Zuschauer wieder einmal im Schnelldurchlauf ein paar Fälle präsentiert, die teilweise spannender erscheinen als das, was am Ende zum Hauptfall des Films wird.

Dass dieser so gar nicht funktionieren will, merkt man schon an der Art und Weise, wie Sherlock auf ihn stößt. Die ganze Sache basiert auf einem hochgradigen Zufall und spätestens, als dann klar wird, dass Mary im Mittelpunkt steht, fällt die Geschichte komplett auseinander. Irgendwie bekommt man das Gefühl, dass Autor Mark Gatiss bestimmte Eckpunkte in der übergreifenden Handlung abarbeiten wollte und sich wenig Gedanken darüber macht, wie logisch der Weg zu diesen Punkten ist. Ein Problem, das sich leider durch die gesamte Staffel zieht.

Dass die Folge keine Katastrophe wird, hat sie wieder einmal ihren Darstellern zu verdanken. Solange Sherlock sich auf seinen Cast verlassen kann, kommt am Ende zumindest immer ganz solide Unterhaltung raus. Gerade Mark Gatiss beweist in seiner Rolle als Mycroft wieder viel Spielfreude. So ist seine schauspielerische Leistung deutlich besser als seine schriftstellerische.

Katrin Hemmerling

"Sein letzter Schwur" und "Die Braut des Grauens" präsentierten den Fans von Sherlock Cliffhanger par exellance. Wenn die Fortsetzung ein Jahr auf sich warten lässt, sollte deren Auflösung dann doch auch bitte gut durchdacht sein. Jedoch bereits der Auftakt von "Die sechs Thatchers" beweist, dass die vorhergangenen Ereignisse nur der Form halber im Schnellschritt leidlich aufgelöst werden. Der Pessimist richtet sich ab diesem Moment besser darauf ein, dass sich seine üblen Vorahnungen ob der Qualität der Folge bewahrheiten werden. Der Optimist freut sich auf einen weiteren clever aufgezogenen Fall.

Letztendlich entpuppt sich "Die sechs Thatchers" als schlechtes Überraschungsei. Der eigentliche Fall ist im Vorbeigehen gelöst, damit die Folge sich auf Mary fokussieren kann.

Mary, die ach so geheimnisvolle Frau von John. Es war nicht der beste Schachzug von Mark Gatiss und Steven Moffat, diese Figur so in die Serie zu intergrieren. Im Verlaufe der vorangeganenen Folge entpuppte Mary Watson sich zwar als eine starke Frau. Diese starke Frau kam aber zu oft als Besserwisser daher, die dank ihrer nebulösen Vergangenheit schneller an vertrauliche Informationen gelangte als Mycroft.

"Die sechs Thatchers" soll Marys Herkunft nun aufdecken; dies geschieht dermaßen konstruiert, dass sich dem Zuschauer unwillkürlich der Wunsch aufdrängt, Mary möge nicht mehr länger Bestandteil der Geschichten sein. Immerhin da hat das Team den Wunsch anscheinend vernommen. Es ist schade, wenn bei dem Tod einer Schlüsselfigur der Gedanke "Endlich!" dominiert. Schließlich sollte einem die Figuren so ans Herz wachsen, dass man über deren Serientod nicht erleichtert ist.

Zu allem Übel scheint Martin Freeman keinen guten Tag gehabt zu haben, als diese Szenen gedreht wurden. Vermutlich wollte er mit dieser sehr ungewöhnlichen Geräuschkulisse die Wut und die Ohnmacht von John ausdrücken. Jedoch erinnert er dabei fatal an einen Hirsch zur Brunftzeit und dürfte damit bei dem einen oder anderen zu unfreiwilligen Lachern geführt haben.

"Die sechs Thatchers" ist der schwächste Auftakt einer neuen Staffel von Sherlock, wenn nicht sogar die schwächste Folge der gesamten Serie. Ein Jahr auf diese Folge warten zu müssen, hat sich definitiv nicht gelohnt.

Originaltitel: Sherlock (seit 2010)
Erstaustrahlung am 25.07.2010
Basiert auf den Sherlock-Holmes-Detektivgeschichten von Sir Arthur Conan Doyle
Darsteller: Benedict Cumberbatch (Sherlock Holmes), Martin Freeman (Doctor John Watson), Una Stubbs (Mrs. Hudson), Rupert Graves (Greg Lestrade), Louise Brealey (Molly Hooper), Mark Gatiss (Mycroft Holmes)
Produzenten: Mark Gatiss, Steven Moffat, Beryl Vertue
Staffeln: 4+
Anzahl der Episoden: 13+


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