Kritik zu Tales of Vesperia: Definitive Edition - Ein Klassiker, zehn Jahre später

Vesperia Header

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Eigentlich wollte Yuri Lowell nur einen Brunnen im städtischen Armenviertel reparieren. Die Bewohner seiner Heimat sind schließlich auf diese eine Wasserquelle angewiesen, Adelige und die Ritter des Königspalastes rühren für die Bedürftigen aber keinen Finger. Ritter war Yuri auch, drei Monate lang, bevor er sich als Söldner für seine eigene Definition von Gerechtigkeit einsetzt. Auf der Suche nach wichtigen Teilen für die Brunnenreparatur trifft der, nach Mario zweitwichtigste, Videospielklempner wider Willen ausgerechnet auf die Prinzessin Estelle. Damit beginnt eine abenteuerliche Reise ins Ungewisse und die Handlung von Tales of Vesperia.

Das Spiel erschien erstmals 2009 als Teil der beliebten Tales-of-JRPG-Reihe und ist seitdem ein Favorit von Fans rund um den Globus. Bitter ist für viele Fans, dass die internationale Xbox-360-Version vor zehn Jahren inkomplett war und nur in Japan die erweiterte Playstation-3-Version auf den Markt kam. Nach zahlreichen Forderungen und einem kuriosen Twittergespräch mit dem Publisher Bandai Namco ist das vollständige Spiel nun als sogenannte “Definitive Edition” für alle aktuellen Konsolen und den PC erschienen. Damit können Fans und Neueinsteiger neue Charaktere spielen, Haupt- und Nebenmissionen lösen und stundenlang neuen Dialogen lauschen.

Auch Yuris pfeiferauchender Hund, Repede, kriegt mit den neuen Inhalten ein Minispiel, was den treuen Vierbeiner mit Snowboard auf die Piste schickt. Und dieser Satz ist eine bessere Werbung für das Videospiel, als es 10/10 Wertungen je sein könnten. Abseits von neuen Inhalten sieht Tales of Vesperia natürlich auch etwas besser aus und läuft auf allen Plattformen besser, als man es sich vor einem Jahrzehnt je erhofft hätte. Im Gegensatz zu einer anderen Portierung, die in diesem Monat erschienen ist, hat der Publisher sich hierbei anscheinend auch nicht auf die Arbeit von Fans gestützt.

Alte Sprecher, neue Dialoge und… neue Sprecher?

Hilfreich für die neu aufgelegte Version ist auch, dass das Spiel in allen Aspekten gut gealtert ist. Die Animeoptik unter Nutzung von Cel shading ist sympathisch und kann stilistisch heute noch genauso gut überzeugen, wie damals. Auch die Kämpfe und Steuerung gehen geradezu überraschend gut von der Hand. Sind heute freie Kamerabewegungen Industriestandard, ist die Perspektive in den Räumen und Fluren von Tales of Vesperia festgelegt. Das wirkt anfangs zugegeben gewöhnungsbedürftig, aber auch eine neue Generation von Spielern sollte sich schnell hineinfuchsen können. Grafisch gelitten haben aber einige Zwischensequenzen, die unter Framedrops leiden und teilweise mit einem merkwürdigen Filter unterlegt sind. Das ist bei einem Bruchteil der dreidimensionalen Filmchen so, alle animierten Szenen stechen natürlich nur stilistisch hervor.

Tales of Vesperia Gameplay

Erhebliche Probleme gibt es allerdings im Audiobereich anzukreiden. So sind die neuen Gespräche und Szenen merklich anders abgemischt, als die alten. Im Menü lässt sich der Ton glücklicherweise, je nach Situation, gut pegeln, aber es wurde offensichtlich einfach unsauber und nicht gründlich genug gearbeitet. Für viele Fans noch ärgerlicher ist aber die englische Sprachausgabe. Da viele Stunden Dialoge im original nur in Japan erschienen sind, wurden sie vor einem Jahrzehnt in der Lokalisierung auch nicht eingesprochen. Das hat Bandai Namco nun nachträglich realisiert, aber dafür den bekannten Synchronsprecher Troy Baker, der Yuri 2009 seine Stimme geliehen hat, nicht mehr unter Vertrag genommen. Die neuen Texte spricht stattdessen Grant George ein, was dazu führt, dass sich nun zwei Stimmen abwechseln. Die Arbeit von George soll hier nicht abgewertet werden, doch der Unterschied ist stets hörbar.

Vom Pirat bis zum Hund: Charaktere machen das Fantasy-RPG

Ärgerlich ist auch, dass der Publisher Troy Baker nie für eine Wiederaufnahme der Rolle kontaktiert hat. Für alle, die nicht auf die mitgelieferte japanische Sprachausgabe zurückgreifen wollen, kann das die Stimmung trüben. Denn in der, für JRPGs klassischen, Geschichte sind es die Charaktere, die die Geschichte mit bekannten Fantasykonventionen erst richtig mitreißend machen. Schon am Anfang der Geschichte sorgen kleine Momente für zusätzliche Sympathiepunkte. Nach der erfolgreichen Flucht aus dem Palast staunt die Prinzessin über die bunten Viertel ihres Königreichs. Yuri streckt ihr die Hand für eine High-Five entgegen, die Estelle dank ihrer behüteten Jugend nur mit einem vorsichtigen Stupsen in seine Handfläche zu entgegnen weiß. Für solche kleinen Momente wirft das Spiel schonmal pathetische Reden und Exposition über Bord und vermenschlicht seine Helden.

Die Handlung muss dafür dank den Skits, kleinen Dialogen der Charaktere, auch nicht extra angehalten werden. Während des Spielverlaufs werden Hunderte dieser kurzen Sequenzen freigeschaltet, die der Spieler per Knopfdruck jederzeit starten kann. Im Gegensatz zu heutigen Spielen der Reihe hat Vesperia noch nicht alle modernen in­sze­na­to­rischen Mittel genutzt, fällt aber schon durch die geschickte Platzierung der Portraits der Gesprächsteilnehmer auf. Redet die Gruppe etwa über ihren nächsten Einkauf bewegt sich das Bildchen des Draufgängers langsam davon, da er nicht mehr auf die leckere Mahlzeit warten möchte. Humor kommt dabei natürlich nicht zu kurz, ob freiwillig oder unfreiwillig. So bleibt der Spieler auch noch beim Kampf gegen das generische Böse involviert.

Fazit

Ein Remaster kann noch so technisch poliert sein, es scheitert oft daran, dass ein Spiel nicht gut gealtert ist. Tales of Vesperia überrascht in der Hinsicht vielleicht sogar Fans, die nostalgische Erinnerungen an das Original pflegen, aber nicht sicher sind, ob der Titel heute nochmal gefallen könnte. Kamera und Kampfsystem sind nur kurz gewöhnungsbedürftig, Charaktere und Geschichte sind noch genau so gut wie damals. Ein Kauf kann durch eine große inhaltliche Ergänzung sehr gut gerechtfertigt werden, nur Verfechter der englischen Synchronisation sollten gründlich überlegen.

Tales of Vesperia: Definitive Edition ist für die Playstation 4, Xbox One, Nintendo Switch und den PC erhältlich.

zusätzlicher Bildnachweis: 
© Bandai Namco

Tales of Vesperia Definitive Edition - Launch Trailer | PS4, X1, PC and Switch

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