Unification III - Kritik zu Star Trek: Discovery 3.07

SPOILER

Eine Folge mit dem Titel "Wiedervereinigung Teil III" (OT: "Unification III") erzeugt große Erwartungen. Nur keinen Druck für Jon Dudkowskis erste Arbeit als Regisseur - bislang war er vor allem als Editor tätig. Kirsten Beyer hat das Drehbuch zu Star Trek: Discovery 3.07 geliefert, weswegen gewisse Picard-Einflüsse nicht verwundern.

Zwiespältigkeit

Burnham weiß nicht mehr so recht, wo sie hingehört und was sie überhaupt möchte. Nicht mehr die Pflichten einer Ersten Offizierin zu haben, dürfte eine Erleichterung - für uns alle - sein. Tilly wäscht ihr ordentlich den Kopf, dass Michaels Alleingänge so einfach nicht gehen und immer andere Leute mit reinziehen.

Bei Book fühlt es sich gut an. Der möchte aber verständlicherweise nicht ewig mit seinem Schiff als Fracht der Discovery mitreisen. Das ist für Burnham jedoch noch so eine angenehme Zwischenvariante: Sie verlässt weder die Crew noch ihr in dem einen Jahr sehr liebgewonnenes Leben jenseits der Sternenflotte an der Seite von Book.

Immerhin ist ihr selbst klar, dass sie gerade nicht die beste Wahl ist, um die Sternenflotte zu vertreten. Ändert aber nichts daran, dass sie auch diese Woche wieder im Fokus der Aufmerksamkeit steht. Na gut, sie kann ja nichts dafür, dass sie Spocks Schwester und damit ein möglicher Schlüssel für diplomatische Gespräche mit den Vulkaniern ist.

Die ersten Auswertungen der Blackboxen scheinen Burnhams Theorie, dass der Burn nicht komplett synchron stattgefunden hat und sich somit ein Ursprung finden lassen sollte, zu bestätigen. Natürlich ist das aber alles nicht so einfach.

Schöne Hommage: Als eines der Raumschiffe wird die U.S.S. Yelchin genannt - benannt nach dem 2016 verstorbenen Chekov-Darsteller Anton Yelchin.

Spocks Vermächtnis

Bei der Anfrage nach weiteren Aufzeichnungen für die Untersuchung windet sich Admiral Vance zunächst, rückt dann aber doch mit ziemlichen Knaller-Informationen heraus: Vulkan wird als Ursprung des Burns vermutet. Allerdings gibt es Vulkan in bekannter Form gar nicht mehr. Die Vulkanier und Romulaner haben sich vor ein paar hundert Jahren wiedervereinigt und sich auf Ni’var* als neuen Namen für ihren gemeinsamen Heimatplaneten einigen können.

*Ni’var geht weit zurück in die Star-Trek-Fandom-Geschichte. Dorothy Jones  (Fan der ersten Stunde + Linguistin) hat in den 60er- und 70er-Jahren Fanfiction etc. für Fanmagazine geschrieben und dafür mit ihrem Fachwissen die vulkanische Sprache weiterentwickelt. Für einen Beitrag im Fanmagazin "Spocknalia" hat sie das Wort Ni’var 1967 geprägt. Es heißt "Two Form/Zweiform" und bezeichnet, wenn Vulkanier ein Thema/Gegenstand von zwei verschiedenen Blickwinkeln betrachten beziehungsweise dass etwas zwei Seiten hat.

Im frühen Fandom gab es diverse Fanfics/Lieder/Gedichte zu Ni’var, meist mit einem gespaltenen Spock, der über sein Dasein als Halb-Mensch-Halb-Vulkanier sinniert. Unter anderem eine Kurzgeschichte von Claire Gabriel aus dem Jahr 1976, dort wird Ni’var als "ein vulkanischer Begriff, der die Dualität von Dingen bezeichnet: zwei, die eins sind - zwei Unterschiede, die eine Einheit bilden - zwei Hälften, die zusammenkommen, um ein Ganzes zu bilden" definiert.

So zeigt “Unification III” mit einer Pause von 29 Jahren, was aus der zarten Pflanze der Wiedervereinigungsbestrebungen in  "Unification I & II" (Star Trek: The Next Generation 5.07 & 5.08) geworden ist. In der Doppelfolge werden Picard und Data auf Geheimmission nach Romulus geschickt, um den abgetauchten Botschafter Spock zurückzuholen. Spock glaubt an die Möglichkeit einer Wiedervereinigung der Völker und ist damit nicht alleine - eine immer größer werdende Gruppe Romulaner tut dies ebenso und wünscht sich, mehr über und von den Vulkaniern zu lernen.

Dass dies letztlich wirklich gelingt, hat Spock zu Lebzeiten zwar nicht mehr miterlebt, doch ist er nach wie vor als wichtige Figur der Geschichte bekannt und verehrt. Es kommt schon sehr merkwürdig rüber, dass sich Burnham in all der Zeit nie nach dem Lebensverlauf ihres Bruders oder auch nur dem Werdegang von Vulkan und ihr ähnlich wichtigen Orten und Menschen informiert hat. Immerhin wird diese Tatsache direkt selbst kurz thematisiert und mit einem einfachen "fühlte mich nicht danach, hab es vermieden" erklärt.

Sehr erfreulich: Die Handlungen aus beiden Star-Trek-Serien harmonieren gut miteinander, und die Einblendung von Spock aus Admiral Picards Eintragungen (Archivmaterial der Doppelfolge) gehen treffsicher tief in die Gefühlskiste. So bekommen wir in dieser Folge gleich drei Spocks zu sehen: Leonard Nimoy in besagten Aufzeichnungen sowie Ethan Peck und Liam Hughes in Burnhams Erinnerungen an ihren Bruder und ihre gemeinsame Kindheit.

Zerfall

Der Admiral (“Son of a b****”) lässt eine weitere Bombe platzen: Vulkan aka Ni’var ist seit rund 100 Jahren nicht mehr Teil der Föderation. Eigentlich wollte Burnham nur Zugriff zu Dokumenten mit weiteren Aufzeichnungen rund um den Burn haben, die aber unter Verschluss sind. Dass sie mit der Frage nach eben jenen SB-19-Dokumenten in ein derart großes diplomatisches Wespennest sticht, hat sie vermutlich nicht vermutet.

Schon lange vor dem Burn ging Dilithium zur Neige beziehungsweise wurde instabiler. Es wurde fieberhaft nach alternativen Antrieben gesucht, aber ohne Erfolg. Am vielversprechendsten war die Forschung der Ni’varer (Vulkulaner?) SB-19. Damit konnte man rasend schnell von einem Ort zum anderen springen. Klingt nach Sporenantrieb, sieht aber aus wie ein großes Stargate.

SB-19 stellte sich allerdings als viel zu gefährlich heraus. Die Wissenschaflter der Ni’varer wollten nicht weitermachen, fühlten sich aber von der Föderation genötigt. Es wird angenommen, dass SB-19 den Burn auslöste. Über den Zwist und die Enttäuschung durch die Föderation haben die Ni’varer diese verlassen.

Burnhams Entdeckung, dass der Ursprung des Burns ganz woanders liegt, bekommt entsprechend gleich nochmal eine große Portion mehr Brisanz, was auch das bisher zögerliche Verhalten des Admirals bezüglich der Aufklärung erklären könnte.

Bedürfnisse weniger

Während Burnham direkt mit Eintritt in die Umlaufbahn von Ni’var mit der Tür ins Haus fallen möchte, darf Saru seine diplomatischen Fähigkeiten spielen lassen. Hier zeigt sich, dass Burnham mit ihren Vulkan-Bezügen wirklich der Schlüssel ist, damit Präsidentin T’rina überhaupt irgendwelche Gespräche akzeptiert. Saru jedoch kümmert sich kräftig darum, dass die Saat aufgeht.

Ihn mit T’Rina bei philosophischen Spaziergängen durch die Discovery und im vollen Föderations-Botschafter-Modus zu sehen, ist eine Wonne und beide Charaktere harmonieren ganz wundervoll. Zum Glück sehen die beiden das ähnlich, man darf also auf ein erneutes Aufeinandertreffen für weitere diplomatische Gespräche hoffen. Wie T’Rina sagt, braucht es nämlich mehr als einen Besuch, bevor man nur daran denken könne, dass sich das Verhältnis zur Föderation wieder bessern könnte. Da spielt noch viel mehr mit als nur SB-19.

“In its desire to serve the many, the Federation ignored the needs of the few.”
“Did your ancestors not coin the phrase,'The needs of the many outweigh the needs of the few'?”
“When the people of Vulcan welcomed the Romulans home, we were forced to confront centuries of mistrust and brutality on both sides. Over time and with much effort, we earned the wisdom to know when to let go of maxims and proverbs.”

Entsprechend mag sie zwar Burnham sogar glauben, als diese versichert, dass die Anfrage für die Freigabe der Dokumente rein wissenschaftlich und nicht politisch motiviert sei, aber es geht nunmal um mehr.

“Even science cannot be separated from cultural and political context. There are always implications, as Spock himself learned.”

Gelehrtenstreit

Burnham kramt tief in ihrer Vulkan-Erinnerungskiste und hat Glück, dass sich anscheinend trotz massiver Änderung der Gesellschaftsstruktur in den letzten 1.000 Jahren so einiges halten konnte. Wie gesagt fällt Burnham mit der Tür ins Haus und fordert T'Kal-in-ket ein - etwas, das T’Rina nicht ablehnen kann und sie in arge Bedrängnis bringt. Burnham, der Holzhammer. Da Michael die Vulcan Science Academy absolviert hat, darf sie diesen philosophischen Prozess einfordern. Ziel ist es, über rein logisch-wissenschaftliche Auseinandersetzung zur Wahrheitsfindung zu kommen.

Vermutlich wollte man uns die aufgemöbelte Discovery von allen Seiten zeigen (wirklich wunderschön) - auf jeden Fall geht es für das Prozedere nicht auf die Planetenoberfläche, sondern die Präsidentin nebst Quorum kommt an Bord. Inklusive Willkommenskomitee im Transporterraum. Das gibt dem Ganzen so einen herrlich nostalgischen Touch von klassischem Trek- Episodenaufbau. Auch schön zu sehen, dass holographische Flammendinge und große Gongs nie so recht aus der Mode kommen.

Noch eine platzende Bombe? Michael wird eine Beraterin zur Seite gestellt. Die aus Star Trek: Picard bekannte romulanische Schwesternschaft der Qwat Milad mit ihrem Glauben an die Absolute Offenheit bietet sich da natürlich an. Doch wer hätte erwartet, dass sich Burnhams Mutter unter der übergroßen Kapuze verbirgt? Schon, weil sie weder Vulkanierin noch Romulanerin ist. Aber auch die Qwat Milad haben sich wohl weiterentwickelt. Definitiv eine Überraschung und dazu erfreulich, dass die Suche nach Burnhams Mutter nicht zum großen Thema für die restliche Staffel gemacht wurde. Inklusive einem von Michael lange ersehnten Satz, der ihr sicherlich mehr innere Ruhe bringt: "Du weißt, wo du mich finden kannst".

Allerdings gibt es von Gabrielle Burnham keinen Tochter-Bonus. Sie nimmt ihre Aufgabe der Wahrheitsfindung sehr ernst und haut Michael mitunter ziemlich in die Pfanne. Zuvor stellt Gabrielle in einem Voice-Over die Vertreter von Ni’var beinahe wie Charaktere eines Computerspiels vor: V’Kir  hält die vulkanischen Traditionen hoch und argumentiert scharf, Shira ist als Halb-Vulkanier-Halb-Romulanerin mittig zu verorten und für N’Raj gehen im Zweifel romulanische Belange vor.

Nun ist Wahrheitsfindung gar nicht so einfach, wenn alle ihre eigenen Wahrheiten, Fakten und Logiken haben. Immerhin ist nicht von alternativen Fakten die Rede, aber die Verbindung ist schnell gezogen. Das Quorum sieht den Frieden von Ni’var gefährdet. SB-19 hat tiefe Wunden hinterlassen. Die Daten herauszugeben und sich erneut mit der Sache beschäftigen zu müssen, könnte die fragile Stabilität der Gesellschaft beschädigen.

Und Burnham spricht nicht die volle Wahrheit, weil sie diese selbst noch vor sich versteckt hält. Wie sie zum Admiral sagte: Zur Zeit ist sie mit ihren persönlichen Problemen nicht die beste Wahl, um die Föderation zu vertreten. Doch dank Mama Burnhams Intervention wird der eigentliche wissenschaftliche Austausch zu einer öffentlichen Therapiesitzung.

Gabrielle: And being human, she is governed by emotion and a desire to insinuate herself into certain matters of import to fill that emotional void. I maintain that that void has made her vulnerable to manipulation at the hands of the Federation.

Nach einigem hin und her sieht auch Burnham ein, dass die Einforderung der SB-19-Daten den Frieden von Ni’var gefährdet und dies ein zu großes, weiteres Opfer des Burns wäre. Sie zieht ihr Ansinnen zurück. Um noch Werbung für die Föderation zu machen, verkündet Burnham, dass sie dann halt anderweitig nach mehr Informationen sucht und diese - ohne Gegenleistung - Ni’var zukommen lässt. Das sei doch schließlich, was die Sternenflotte ausmache.

Nun bin ich etwas gespalten - einerseits begrüße ich es, dass T’Rina dann doch die Daten herausrückt und sich der Strang verkürzt, doch ist diese "habe mich einlullen lassen"-Variante auch etwas zu einfach und abgedroschen. Andererseits haben Saru und T’Rina wirklich gut miteinander harmoniert. Dann lasse ich das noch einmal durchgehen.

Karriereleiter

Na, eher Karrierekatapult - während sich der Captain und Ex-Nummer-Eins mit Vulkulanern rumschlagen, knabbert Tilly noch an Sarus Angebot. Es wird auch unmittelbar aufgegriffen, dass sie lediglich ein Ensign ist und als Erste Offizierin im Zweifel über Leben und Tod entscheiden müsse. Das ist schon eine ziemliche Nummer, auch wenn Saru betont, dass es ein vorübergehender Posten ist, bis ein fester Nachfolger für Burnham gefunden sei.

Verständlicherweise ist (Lieutenant Commander!) Stamets ziemlich überrumpelt, als Tilly ihm die Nachricht überbringt und nach seiner Meinung fragt. Allerdings kann er auch nicht in Ruhe ausreden und kommt ziemlich schnell von alleine zu dem Schluss - wie auch die restliche Crew - dass Tilly gerade genau die richtige Person für den Posten ist: Alle vertrauen ihr und sie verkörpert die Ideale der Sternenflotte.

"Sir, are you asking me because I'm qualified or because I'm compliant?"
"I'm asking because I believe this is in the best interests of our ship."

Nun bin ich selbst ziemlicher Tilly-Fan und die Hinleitung zu Sarus Entscheidung wurde über die bisherigen Folgen gut aufgebaut, von der Seite her passt es. Dennoch riecht es etwas danach, dass Saru jemanden sucht, bei dem weniger starke Gegenrede zu erwarten ist. Aber Tilly ist die Unterstützung der Crew sicher und hey, immerhin hat sie auch schon erfolgreich eine terranische Captain/Dominatrix verkörpert.

Auch wenn es sich in Gelächter auflöst, aber Burnhams Hereinplatzen mit den SB-19-Daten bei Tillys "Sag ja"-Szene ist in etwa so sympathisch, als wenn jemand die Hochzeit der Schwester nutzt, um laut zu verkünden, dass man schwanger sei oder so. Es geht gerade mal zwei Minuten nicht um dich.

Michael bleibt also - unter Tilly - auf der Discovery. Der Trip nach Ex-Vulkan und die Mutter-Tochter-Gespräche haben sie zu der Erkenntnis gebracht, dass sie genau dort hingehört. Es fühlt sich wieder nach Zuhause an. Was wiederum Book in Entscheidungsbedrängnis bringt. Denn für ihn fühlt sich Michael wie zuhause an, nicht aber unbedingt die Discovery. Und ewig kann er mit seinem Schiff vermutlich nicht als Untermieter die Shuttlerampe verstopfen.

Fazit

Wie erhofft hat Star Trek: Discovery nach einer eher flachen Episode letzte Woche wieder kräftig angezogen. Mit einem Titel wie “Unification III” hat man ziemlich große Schuhe zu füllen -  es ist gelungen. Mit viel Gefühl und Sachverstand hat man die Handlungen von Star Trek: The Next Generation (und Picard) mit Star Trek: Discovery verknüpfen können. Dabei wurde sich nicht auf dem Nostalgie-Faktor ausgeruht, sondern auch die Geschichte der Discovery und die Charakterentwicklung vorangetrieben.

Zudem zeigt sich, dass auch Discovery schöne Galaxie- und Schiffaufnahmen zeigen kann, ohne gleich eine Weltraumschlacht herumbauen zu müssen - sehr angenehm und deutlich spannender, den Gesprächen zu lauschen. Weiter geht es!

Star Trek: Discovery

Originaltitel: Star Trek: Discovery
Erstaustrahlung 24. September 2017 bei CBS All Access / 25. September 2017 bei Netflix
Darsteller: Sonequa Martin-Green (Michael Burnham), Jason Isaacs (Captain Gabriel Lorca), Michelle Yeoh (Captain Georgiou), Doug Jones (Lt. Saru), Anthony Rapp (Lt. Stamets), Shazad Latif (Lt. Tyler), Maulik Pancholy (Dr. Nambue), Chris Obi (T’Kuvma), Shazad Latif (Kol), Mary Chieffo (L’Rell), Rekha Sharma (Commander Landry), Rainn Wilson (Harry Mudd), James Frain (Sarek)
Produzenten: Gretchen Berg & Aaron Harberts, Alex Kurtzman, Eugene Roddenberry, Trevor Roth, Kirsten Beyer
Entwickelt von: Bryan Fuller & Alex Kurtzman
Staffeln: 4+
Anzahl der Episoden: 42+


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