"Naja." - Kritik zu Doctor Strange in the Multiverse of Madness

Wir kennen es: Marvel hat sich die Geheimhaltung der Filme des Marvel Cinematic Universe groß auf die Fahne geschrieben. Damit baut sich oft ein Hype um die kommende Filme auf, der mit entsprechenden Inhalten gefüttert wird. Ein TV-Spot hier, ein Featurette da und Trailer, die bewusst zu Spekulationen anregen sollen. Das klappt manchmal recht gut wie zuletzt bei Spider-Man: No Way Home. Aber manchmal wartet auf Marvel-Fans dann doch die eine oder andere Enttäuschung. Wie mit Doctor Strange in the Multiverse of Madness.

Die offiziellen Inhaltsangaben ließen vorab nicht konkret verlauten, worum es in der Fortsetzung zu Doctor Strange gehen würde:

“Das Universum gerät spektakulär aus den Fugen: In Doctor Strange in the Multiverse of Madness sprengen die Marvel Studios die Grenzen des MCU und laden das Publikum auf eine atemberaubende Reise durch das Multiversum ein, die alles bisher Dagewesene auf den Kopf stellen wird. Dr. Strange, der mächtigste Magier des Kosmos, muss gemeinsam mit seinem Freund Wong und Wanda Maximoff, aka Scarlet Witch, einem mysteriösen neuen Widersacher entgegentreten, um das Ende aller Dimensionen zu verhindern. Machen Sie sich bereit für ein Marvel Abenteuer jenseits aller Vorstellungskraft.”

Also nimmt das Publikum trotz einiger Information vorab ziemlich nichtsahnend im Kinosessel Platz, um an der “atemberaubenden Reise durch das Multiversum” teilzunehmen. Ist es eine Reise durch das Multiversum? Definitiv. Ist sie atemberaubend? Jein.

Hätte Hätte Fahrradkette

Denn eigentlich hätte genau der Ansatz des Multiversums Doctor Strange in the Multiverse of Madness wahnsinnig viele Möglichkeiten geboten, alles bis dato Dagewesene auf den Kopf zu stellen. So verwundert es umso mehr, dass diese Möglichkeiten nicht einmal ansatzweise ausgeschöpft worden sind - dabei gibt es einen kleinen, aber feinen Blick auf das, was hätte sein können. Als Stephen Strange in einer Szene durch das Multiversum geschleudert wird, zeigen sich binnen Sekunden verschiedene Welten, die alle völlig unterschiedlich sind. Da frustriert es beinah schon, wenn Strange in einem Multiversum landet, dessen größte Errungenschaft anscheinend eine neue Ampelregelung ist.

Dabei legt die Geschichte mit einem aberwitzigen Tempo los. Regisseur Sam Raimi hat einen gelungenen Kampf von Doctor Strange gegen ein einäugiges Krakenmonster, das es bereits im Trailer zu sehen gab, mitten in den Straßen von New York inszeniert. Raimi nimmt dabei neue Blickwinkel ein, präsentiert gelungene Kamerafahrten und gönnt seinen Darstellern nur eine Atempause, um den für Strange zu typisch ironisch-sarkastischen Humor zu zeigen.

Vollbremsung!

Ebenso gekonnt bereitet er das Setting für den Haupthandlungsstrang vor, bevor die nächste epische Schlacht einen Augenschmaus bietet. Bis dahin sind gerade einmal knappe dreißig Minuten vergangen. Somit in der Tat atemberaubend.

Dann aber verliert Doctor Strange in the Multiverse of Madness allerdings das Erzähltempo, um verkrampft auf Momente hinzuarbeiten, die das Publikum bereits zuletzt in Spider-Man: No Way Home erlebt hat. Und genau hieran krankt der Film erheblich: Die Überraschungsmomente fehlen. Komplett.

Denn wer die Trailer, Teaser und Spots aufmerksam verfolgt hat und sich leidlich im Marvel-Universum auskennt, wird nicht großartig überrascht. Damit hat Marvel dem Publikum die Spannung vorab selbst genommen. Es bleibt nur zu spekulieren, was die Verantwortlichen dazu bewogen hat, fast alle Überraschungsgäste vor dem Start zu verraten. Vermutlich erhoffte man sich ähnliche Reaktionen wie zuletzt in den Kinosälen.

Dabei hat man aber wohl vergessen, dass Strange sich im Multiversum befindet und die Gastauftritte auf den Handlungsstrang wenig bis gar keine Auswirkungen haben. Hier hat Marvel anscheinend auf reinen Fanservice gesetzt, was auch den Darstellenden bewusst gewesen sein muss. Immerhin erwecken einige von ihnen den Eindruck, dass sie dem Auftritt nur zugestimmt haben, um den Kontostand zu erhöhen. Anders lässt sich so manch Leistung nicht erklären.

Es menschelt bei Stephen. Aber nicht zu sehr.

Immerhin liefern die Hauptdarsteller ihre gewohnte Leistung ab. Benedict Cumberbatch überzeugt einmal mehr als der in Grundzügen arrogante Stephen Strange, an dem die Ereignisse der vergangenen Filme jedoch nicht spurlos vorübergegangen sind. Jedoch hält die Geschichte hier eine gute Balance zwischen der mitunter unnahbaren Person und dem etwas weicheren Stephen. So wirkt die Figur gereift, aber nicht verweichlicht.

Elizabeth Olsen setzt als Wanda Maximoff alias Scarlet Witch ihre Leistung aus WandaVision fort. Gerade die Ereignisse aus Avengers: Infinity War haben die Figur nachhaltig geprägt, was sich in der Serie fortgesetzt hat. Olsen muss für Doctor Strange in the Multiverse of Madness somit nur auf gewohntes Terrain zurückgreifen, um die Figur überzeugend darzustellen. Da benötigt man keine weitere Prämisse und Erklärungen, um die Motivation von Wanda nachzuvollziehen zu können.

Nochmal komplett What if ...? reinziehen?

Vorab hagelte es übrigens Empfehlungen, welche Filme und Serien man vorab gesehen oder aufgefrischt haben muss, um bei Doctor Strange in the Multiverse of Madness Schritt halten zu können. Wir können euch in der Hinsicht beruhigen: Ein kompletter Re-Run von What if …? ist ebenso unnötig wie Spider-Man: No Way Home. Es reicht völlig aus, WandaVision einigermaßen im Gedächtnis zu haben sowie Doctor Strange

Zudem ließ Marvel im Vorfeld verlauten, dass Doctor Strange in the Multiverse of Madness der erste Horrorfilm im Marvel Cinematic Universe sein würde. Zugegeben, der Film kommt in manchen Momenten nicht ganz so zahm daher wie die restlichen Filme, es gibt düstere und für Marvel ziemlich brutale Szenen. Jedoch hat Regisseur Raimi die betreffenden Szenen noch zahm gehalten. Immerhin hat die Fortsetzung in den USA ein PG-13-Rating erhalten, sodass Raimi hier nur begrenzten Spielraum bekam. Der Begriff Horrorfilm ist damit sehr dehnbar ausgelegt - aber auch keine komplette Mogelpackung. Es ist ein auf Marvel heruntergefahrener Horror.

Fazit

Doctor Strange in the Multiverse of Madness hätte das Potential für eine aberwitzige Reise durch das Multiversum mit vielen Überraschungsmomenten gehabt. Jedoch bleibt der Film hinter den im Vorfeld hochgesteckten Erwartungen zurück. Dies liegt vor allem daran, dass aufmerksame Zuschauer jede Überraschung und Wendung anhand der vorab veröffentlichten Inhalte leicht enttarnen konnte. Zwar gelingt es dem Film, sein Publikum auch dank der Leistung der Hauptdarsteller gut zu unterhalten. Aber leider kommt er nicht an die Messlatte heran, die Marvel ihm hierfür auferlegt hat. 



Doctor Strange in the Multiverse of Madness
Originaltitel:
Doctor Strange in the Multiverse of Madness
Kinostart:
04.05.22
Regie:
Sam Raimi
Drehbuch:
Michael Waldron, Jade Halley Bartlett
Darsteller:
Benedict Cumberbatch, Benedict Wong, Elizabeth Olsen, Chiwetel Ejiofor, Xochitl Gomez, Rachel McAdams
In seinem zweiten Kinosoloabenteuer muss Stephen Strange das Multiversum erkunden.

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