Marvel's Jessica Jones

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Jessica Jones Promoposter

Originaltitel: Marvel's Jessica Jones (2015)
Erstveröffentlichung am
20.11.2015 bei Netflix
Darsteller:
Krysten Ritter, Mike Colter, Rachael Taylo, Carrie-Anne Moss, David Tennant
Produzenten: Melissa Rosenberg, Liz Friedman, Allie Goss, Kris Henigman, Cindy Holland, Alan Fine, Stan Lee, Joe Quesada, Dan Buckley, Jim Chory, Jeph Loeb, Melissa Rosenberg
Staffeln: 3+
Anzahl der Episoden: 26+

Spoilerfreie Kritik zur 1. Staffelhälfte

von Hannes Könitzer. Im April 2015 starteten Marvel und Netflix mit Daredevil einen neuen Ableger des so beliebten Cinematic Universe, der sich so gar nicht wie die bisherigen Filme und Serien anfühlte. Ähnlich wie seiner Zeit Iron Man stellt Daredevil jedoch nur den Start für gleich mehrerer Serien da, welche aber deutlich düsterer und erwachsener daher kommen sollen. Mit Jessica Jones setzen Marvel und Netflix heute diesen Weg konsequent fort, wobei die Serie durchaus große Fußstapfen zu füllen hat. Nach den ersten sechs Episoden kann man dies jedoch getrost als gelungen bezeichnen.

Jessica Jones arbeitet als Privatdetektivin im New Yorker Stadtteil Hells Kitchen. Ihre Fälle umfassen in der Regel das Fotografieren von Ehebrechern und das Ausliefern von Klagen an Personen, der eher gefährlichen Art. Für Letzteres ist sie aufgrund ihrer Fähigkeiten besonders gut geeignet. So hatte Jessica Jones in ihrer Jugend einen Unfall, durch den sie einige übermenschliche Fähigkeiten entwickeln konnte. Der neueste Fall der Detektivin hat jedoch zunächst einmal nichts mit Ehebrechern zu tun. Jessica Jones wird mit der Suche nach einem verschwunden Mädchen beauftragt. Bei ihren Ermittlungen stellt sie jedoch bald fest, dass ein eigentlich tot geglaubter Feind aus ihrer Vergangenheit involviert sein muss. Der Mann mit dem Namen Kilgrave hat schon einmal Jessicas Leben zur Hölle gemacht und scheint dies nun erneut zu planen.


© Netflix

Marvel-Zuschauer, die Daredevil nicht kennen und erstmals einen Blick auf Jessica Jones werfen, dürften sich verwundert die Augen reiben. Spaßige Action und witzige Sprüche sind bei der Netflix-Serie Fehlanzeige. Stattdessen wird den Zuschauern eine zynische Heldin präsentiert, die so gar keine Gemeinsamkeiten mit Iron Man oder Captain America hat. Jessica Jones geht in vielen Fällen sogar noch einen Schritt weiter als Daredevil und präsentiert eine noch düstere Geschichte. Dabei fährt die Serie auch den Action-Anteil gehörig zurück. Während in Daredevil lange Kampfszenen praktisch zu jeder Folge gehörten, geht es in Jessica Jones weniger actionreich zu. Trotzdem gibt es natürlich auch in den ersten sechs Folgen ein paar handgreifliche Auseinandersetzungen. Diese sind jedoch geerdeter inszeniert und nehmen auch weniger Zeit in Anspruch. Im Gegenzug gibt sich die Serie allerdings erheblich freizügiger. Auch wenn es keine explizite Nacktheit in den Folgen zu sehen gibt, Bettszenen sind trotzdem in einem deutlich höheren Anteil vertreten als in allen bisherigen Marvel-Produktionen.


© Netflix

Ebenfalls interessant ist der Ansatz, den die Macher bei der Wahl des Schurken wählen. Kilgrave ist aufgrund seiner Fähigkeiten eine vollkommen andere Bedrohung als beispielsweise Kingpin Wilson Fisk. Der Brite nimmt sich von den Menschen um ihn herum einfach, was er möchte und dabei spielt es keine Rolle, dass er sie praktisch dabei foltert. Durch diese Tatsache und die Vergangenheit mit Jessica Jones erfolgt die Auseinandersetzung der beiden auf einer vollkommen anderen, viel persönlicheren Ebene als die zwischen Daredevil und dem Kingpin. Während Daredevil eher der heldenhafter Kämpfer in der Nacht war, ist Jessica Jones eine Detektivin auf einer Fährte. Dies zeigt sich auch im generellen Grundton der Serie, der einen Hauch von Film Noir hat.


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Getragen wird die spannende Handlung dabei durch einen Cast, bei dem Marvel wieder einmal einen Glücksgriff gelungen ist. Krysten Ritter konnte bei der Bekanntgabe des Castings vielleicht nicht jeden Fan überzeugen, spätestens nach 10 Minuten sollten jegliche Bedenken der Vergangenheit angehören. Dazu lernen die Zuschauer mit Mike Colter als Luke Cage bereits den nächsten Helden kennen, der schon bald in einer eigenen Netflix-Serie zu sehen sein wird. Colter erweist sich ebenso wie Ritter als toller Castinggriff und man darf sich jetzt schon auf dessen Serie freuen. David Tennant kann sich als Kilgrave ebenfalls gegenüber vielen anderen Marvel-Schurken profilieren. Auch wenn er nicht ganz an Vincent D’Onofrios Kingpin herankommt, gehört Kilgrave schon jetzt zu den besseren Gegenspielern im Marvel-Universum. Der weitere Cast steht den drei übernatürlichen Figuren in Qualität ebenfalls in Nichts nach. Carrie-Anne Moss und Rachael Taylor bekommen dabei noch am meisten Zeit auf dem Bildschirm und wissen beide in ihren Rollen zu gefallen. Erwähnt werden sollte zudem noch Erin Moriarty. Die Darstellerin hat als Hope zwar nicht die größte Rolle, sorgt mit ihrer schauspielerischen Leistung in den ersten Folgen aber für den einen oder anderen richtig starken Moment.

Fazit
Jessica Jones setzt den eingeschlagenen Weg von Daredevil konsequent fort und bringt ein weiteres düsteres Kapitel in Marvels sonst eher bunten Film- und Serienwelt. Mit einem exzellenten Cast und einer spannenden Geschichte ist der Start in den ersten sechs Folgen definitiv geglückt. Wer schon mit Daredevil gut unterhalten wurde, kann ohne Probleme auch Jessica Jones einschalten.


Kritik zur 2. Staffelhälfte

ACHTUNG SPOILER! Neben der düsteren Handlung sind es definitiv die Schurken, welche die beiden Netflix-Serien so sehr von dem bisher Bekannten aus dem Marvel Cinematic Universe unterscheiden. Dabei schafft es Jessica Jones mit Kilgrave einen Gegenspieler zu präsentieren, der vollkommen anders ist als Daredevils Kingpin, ohne deswegen jedoch weniger interessant zu sein. David Tennant spielt Kilgrave dabei mitunter wie ein verzogenes Kind, das einfach nicht versteht, wie jemand überhaupt leben kann, ohne anderen Menschen seinen Willen aufzuzwängen. Gleichzeitig macht die Tatsache, dass Jessica jedoch eine Ausnahme darstellt, diese auch so besonders und begehrenswert für ihn. Dumm nur, dass Jessica Jones ihn am liebsten tot sehen will. Die wiederholten Aufeinandertreffen der beiden Figuren in der Mitte Staffel gehören deshalb definitiv zu den Höhepunkten der Serie.


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Auf der anderen Seite muss man aber auch festhalten, dass der Konflikt zwischen Jessica und Kilgrave nicht so wirklich Potenzial für 13 Episoden bietet. Da die Serie nun aber quasi als ein zusammenhängender Film aufgebaut ist, schlägt man immer wieder ein eher gemächliches Erzähltempo an. Letztendlich hätte sich die Geschichte auch locker in der Hälfte der Zeit erzählen lassen. Dafür sind die Macher am Ende jedoch sehr konsequent. Während bei Wilson Fisk aka Kingpin durchaus Potenzial vorhanden ist, um den Charakter zurückzubringen, scheint man als Zuschauer bei Kilgrave alle Facetten der Figur zum Ende der Staffel zu kennen. Aus diesem Grund geht das Ende des Schurken auf diese Weise durchaus in Ordnung, auch wenn man fortan wohl auf David Tennant im Marvel-Universum verzichten muss.


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Ein weiterer kleiner Negativpunkt, welche ebenfalls der langsamen Erzählstruktur geschuldet ist, ist der eine oder andere nervige Charakter beziehungsweise ein paar langweilige Nebengeschichten. Letzteres stellen zum Beispiel die Ehestreitigkeiten zwischen Anwältin Jeri Hogarth und deren Noch-Ehefrau Wendy da. So richtig will hier der Funke nie überspringen, lediglich das Ende ist ziemlich gut inszeniert. Noch schlimmer ist jedoch der Charakter Robyn, eine Nachbarin von Jessica Jones, die in der Handlung der zweiten Staffelhälfte zunehmend Raum einnimmt. Diese Rolle wurde unglaublich nervig angelegt und nicht wenige Zuschauer dürften schon aufgestöhnt haben, bevor Robyn bei ihren Auftritten überhaupt den Mund aufgemacht hat. Besonders komisch wirkt eine Szene, in der es ihr gelingt, eine Gruppe von Kilgrave-geschädigten Menschen gegen Jessica Jones aufzustacheln. Wirklich glaubhaft erklärt wird dabei nicht, warum irgendwer überhaupt auf ihre Meinung hören sollte, geschweige denn sich zu einem körperlichen Angriff überreden lässt.


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Die angesprochenen Punkte sind jedoch meckern auf sehr hohem Niveau. Krysten Ritter in der Rolle der Jessica Jones zuzuschauen, bleibt trotzdem eine richtig unterhaltsame Sache. Eventuell wäre noch die eine oder andere Überschneidung mit Daredevil nett gewesen. Schließlich wohnen beide im selben Stadtteil, da kann man schon einmal von einem Typen in Teufelskleidung, der nachts Verbrecher bekämpft, gehört haben. Der Auftritt von Rosario Dawson schlägt aber eine nette Brücke, vor allem weil sie auch gleich Luke Cage kennenlernt. Dessen Rückkehr am Ende sorgt für einen tollen Rahmen um die gesamte Geschichte und bringt einen richtig gut gelungenen Schlagabtausch zwischen ihm und Jessica. Dieser stellt schon beinah das finale Aufeinandertreffen zwischen der Hauptheldin und Kilgrave in den Schatten. So kann der finale Kampf zwar durchaus überzeugen, ganz mithalten kann er mit den beiden Episoden davor aber nicht.

Fazit
Jessica Jones startet stark und kann die Anfangsqualität später mühelos halten. Nach Daredevil gelingt Marvel damit erneut ein richtig guter Serienstart auf Netflix. Kleine Schönheitsfehler können das Gesamtbild kaum drüben und man kann sich jetzt schon freuen, wenn Jessica Jones in The Defenders nicht nur erneut auf Luke Cage, sondern auch auf Daredevil treffen wird.